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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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hinuntergefahren, um sich im kalten Wasser der Bucht zu ertränken. Jetzt fing er wirklich an zu spinnen, was für eine verrückte Idee! Hier stand er, so gut wie pleite, sah Gespenster und hoffte auf eine Abschlagszahlung von Stanley Weinstein, weil er nicht genügend Geld hatte, um wieder nach Hause zu kommen.
    In Gedanken hatte er sich bereits in regelrechte Wut hineingesteigert, als er schließlich mehrere Wagen entdeckte, die den Hidden Dreams Drive entlangfuhren. Im ersten Auto, einem grünen VW-Beetle, saß Lydia am Steuer und irgendjemand neben ihr. Drei Wagen folgten ihr.
    Peter strich sich das Jackett glatt und ging zum Haus zurück.
    Was, zum Teufel, soll das Ganze überhaupt?, dachte er, als er die Treppe zur Veranda hochstieg. Vielleicht hätte es dir ja gefallen, Phil, aber mir ganz bestimmt nicht. Allerdings entspricht es irgendwie deinem Stil.

 
Kapitel 9
     
    Lydia sah zwar müde und blass, aber höchst lebendig aus und verhielt sich auch keineswegs so, als wäre irgendetwas Ungewöhnliches passiert. Sie machte ihn mit den Trauergästen bekannt. Zwei davon hatte er vor längerer Zeit bereits kennen gelernt, es waren Schriftsteller einer Gruppe namens The Mysterians, der Phil fast dreißig Jahre lang angehört hatte. Peter war zu mehreren Treffen mitgegangen und mochte die Gruppe durchaus leiden. Zu den Mitgliedern zählten Krimi-Autoren, Reporter und auch ein paar Polizisten. Die beiden, die Lydia eingeladen hatte, waren stattliche Männer, die die sechzig sicher schon überschritten hatten. Peter hatte den Eindruck, dass sie ein schwules Paar waren, das zusammenlebte.
    Zwei Frauen, die Peter nicht kannte – sie wirkten recht bieder und mochten Anfang vierzig sein –, trugen Tupperware-Schüsseln mit Kartoffelsalat und grünem Salat und ein mit Silberfolie ausgekleidetes Tablett mit Lasagne die Treppe hinauf und brachten alles in die Küche. Flüchtig tauchten vier weitere unbekannte Gesichter auf und wurden ihm vorgestellt, alles Männer Mitte bis Ende fünfzig. Nachdem die Gäste Peter mit Handschlag begrüßt hatten, standen sie verlegen im Wohnzimmer herum oder gingen auf und ab und warfen scheele Blicke auf die bronzefarbene Plastikurne vor dem Kamin.
    »Ich bin froh, dass wir das mit Phil überhaupt erfahren haben«, flüsterte Lydia Peter, der sie aufmerksam beobachtete, in der Küche zu. »Sie hatten ihn schon zwei Tage bei sich, ehe sie mich anriefen. Keine Ahnung, warum sie sich nicht an dich gewandt haben.«
    »Schließlich hast du seinen Nachnamen behalten«, erwiderte Peter. Lydia strich ihm mit dem Arm über die Schulter. Trotz des Tabakdunstes war ihr kühler, nervöser Geruch zu spüren. Hätte sie nicht dreißig Jahre lang geraucht, wäre sie vielleicht immer noch schön gewesen. Als sie ihn direkt ansah, nahm ihr Gesicht einen besorgten Ausdruck an. »Du siehst schlecht aus, Peter. Vielleicht hättest du hier nicht übernachten sollen.«
    »Angenehm war es nicht gerade«, gab Peter zu.
    »Hast du Gespenster gesehen?«, fragte sie mit pikantem Unterton.
    Er dankte ihr die Stichelei mit einem dünnen Lächeln.
    »Phil kann es wohl kaum gewesen sein«, sinnierte Lydia. »Er ist längst von uns gegangen. Diese Welt hat ihm sowieso nicht gepasst, genauso wenig wie ich. Aber, weißt du, trotzdem hab ich gestern irgendwie die Nerven verloren«, bekannte sie plötzlich mit schimmernden Augen. »Ich hatte einen kleinen Nervenzusammenbruch und hab seinen Namen durch das leere Haus gebrüllt. Ist das nicht merkwürdig? Hab meinem Kummer einfach Luft gemacht. Hinterher fühlte ich mich besser. Ich ahnte nicht, dass es mir so nahe gehen würde.«
    Hinter Peters Augen brannte es wieder. »Wo warst du, als das passiert ist?«
    »In seinem Schlafzimmer. Hab all diese leeren Regale angestarrt. Warum?«
    »Hast du am Fußende des Bettes gestanden?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
    »Gar keine.«
    Lydia zuckte die Achseln. »Bringen wir die Sache hinter uns«, sagte sie.
    Sie rief die Gäste ins Wohnzimmer, das sie keineswegs füllten. Drei der Männer traten zum Kaminsims und lieferten Beschreibungen von Phil, die nur halb zutrafen – kurze, mit Fehlern behaftete Lobgesänge auf sein literarisches Schaffen. Der zweite Redner nannte ihn ein verkanntes Genie, der dritte würdigte mit herzlichen Worten eine Kurzgeschichte, die in Wirklichkeit gar nicht von Phil stammte.
    Lydia dankte ihnen mit leiser Stimme. Danach ergriff Peter das Wort und sprach über die Freundschaft, die ihn mit Phil

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