Stimmen
sind ganz scharf auf das hier. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft im letzten Monat…« Er schwenkte die Hand hin und her.
»Warum haben Sie sich ausgerechnet hier niedergelassen und nicht an einem Ort wie zum Beispiel Sausalito?«
»Dieser Ort hat eine Geschichte. Mein Büro ist gleich da vorn, ziemlich nah bei der alten Gaskammer. Die haben wir mit gemietet, wissen Sie.«
Peter gefiel es gar nicht, wie die Wände auf ihn zuzurücken schienen. Er kam zu dem Schluss, dies müsse eine optische Täuschung sein – vielleicht war es aber auch bewusst so entworfen. Schließlich waren Gefängnisse dazu da, Menschen zu bestrafen.
»In der Gaskammer«, fuhr Weinstein hektisch fort, »steht ein Tisch mit Gurten und Schläuchen, kein elektrischer Stuhl. Dort haben sie die Todesspritze verabreicht. Gas wurde schon lange nicht mehr verwendet.«
Sie passierten ein offenes Tor aus dicken Eisenstangen, das in einer grässlichen Schattierung von Limonengrün gestrichen war. »Hier entlang.« Weinstein deutete nach links, auf einen anderen, kürzeren Zellenblock. Dort war die Arbeit so weit vorangeschritten, dass die Zellen inzwischen verglast und mit zweiteiligen Türen versehen waren, die sich oben und unten öffnen ließen. Als er mit seinem Ausweis über eine Kontrollplatte fuhr, klickte ein Schnappschloss. Er zog die Tür auf. »Willkommen im Büro des Meisters aller Geldbeschaffer, womit ich meine Wenigkeit meine. Selbstverständlich dank Ihrer Hilfe und der von Mr. Benoliel.«
Die Zelle war mit einem Schreibtisch, einem Aktenschrank, einem Computer und einem kleinen Kühlschrank ausgestattet. An den Wänden, die in einem modischen, aber neutralen Grauton gestrichen waren, fielen eine weiße Tafel und ein kleines Korkbrett auf, an denen jede Menge Visitenkarten und Karteikarten befestigt waren. An Decke und Fußboden wanden sich neu gelegte Isolierrohre für Leitungen und Kabelführungen.
»Die Telekommunikation ist vor wenigen Jahren den Bach runtergegangen, wissen Sie noch?«, fragte Weinstein mit nervösem Augenzwinkern, machte den Kühlschrank auf und bot seinem Gast eine Dose Pepsi an. Während Peter den Verschluss aufriss, nahm er auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz, der die halbe Zelle – das Büro – füllte. »WorldCom, einige Ableger von Enron und ein paar andere von den Großen hatten eigentlich vor, San Andreas in einen riesigen Technologiepark zu verwandeln, mit Eigentumswohnungen und Geschäften direkt am Ufer. Zweihundert Hektar in bester Uferlage, kaum zu fassen, oder? Mit dem besten Ausblick in ganz Marin. Jedenfalls waren sie mitten in den Verhandlungen, in denen es um Summen von rund fünf Milliarden Dollar ging, als klar wurde, dass ihre Geschäftsführer mit dem alten Knast besser bedient gewesen wären.« Weinstein grinste hinterhältig und lehnte sich zurück. »Die vom FBI haben die ganze Entwicklung gestoppt, aber mit dem Gefängnis konnten sie machen, was sie wollten, und dazu kam aus Marin noch das Angebot lächerlich niedriger Steuersätze, also haben gewisse Leute eine schnelle Entscheidung getroffen. Was ist der Unterschied zwischen Zellen, die aussehen wie die Hasenstall-Büros in den Karikakturen von Dilbert, und den trostlosen Nischen in Großraumbüros?«
»Kein großer.«
Weinstein nickte nachdrücklich. »Ein paar Start-up-Firmen, die überlebt haben, legten Angebote für die Räumlichkeiten vor. Google wollte rein, aber wir waren schneller.« Er hob seine Pepsidose und prostete Peter zu. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Mir wurde erst viel zu spät klar, dass Sie der Regisseur von Rising Shiner und The Private Lives of Helen and Troy sind.«
Peter lächelte. »Ist doch Schnee von gestern.«
»Ich liebe solche Filme. Auch der Trash, den John Waters produziert hat, geht mir an Herz und Nieren. Immer, wenn ich irgendwie Zeit finde, was in den letzten Monaten nicht oft der Fall war, fahre ich zu diesen schrägen Filmfestivals. Was ich damit sagen will: Für die jüngere Generation sind Sie eine Legende.«
»Das wusste ich nicht«, sagte Peter. Er glaubte es auch nicht.
»Na ja, wir können es geschäftlich nutzen: Derjenige, der früher mal die Puppen hat tanzen lassen, leitet jetzt eine Werbekampagne für uns. Peter Russell, der schärfste Sexploitation- Regisseur aller Zeiten.« Weinstein wurde ernst. »Um ehrlich zu sein: Russ Meyer haben wir auch gefragt, doch er wollte nicht. Aber dann hat er Sie vorgeschlagen, es bleibt also in der
Weitere Kostenlose Bücher