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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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greifen, denn er konnte ja gar nicht anders, als die vorbeitreibenden Baumstämme zur Kenntnis zu nehmen.
    Während er alles Nötige in einem Zustand völliger Benommenheit veranlasste, wartete er auf den Abend und eine weitere Chance, wenige Augenblicke mit Daniella zu verbringen. Und sie diesmal so zu beschützen, wie es ihm früher nicht gelungen war.
    Als er den Abhang hinunterging, entdeckte er den Porsche unversehrt an derselben Stelle, an der er ihn abgestellt hatte, was an sich schon ein kleines Wunder war. Gleich darauf bemerkte er das gestreifte Absperrband der Polizei und am Heckfenster, mit Kreide aufgetragen, Datum und Aktenzeichen der Sicherstellung des Fahrzeugs.
    Voll der strahlenden Sonne des späten Vormittags ausgesetzt, lehnte er sich gegen das Wagendach und wartete auf den Abschleppdienst. Der heutige Tag erinnerte ihn sehr an jenen, an dem er Lydias Anruf erhalten hatte – einen Anruf, der ihm die Augen für eine umfassendere Wirklichkeit geöffnet hatte. Er stellte sich vor, wie der Sonnenschein das ganze Haus durchflutete, selbst die dunkelsten Ecken des Ganges erfasste und damit die Aasfresser fern hielt. Und seine Tochter in ihrem Versteck beschützte.
    Als der Abschleppdienst pünktlich eintraf, brauchte er ein paar Minuten, bis er in der zerfledderten, ölverschmierten Betriebsanleitung des Porsche 356 C nachgeschlagen hatte, wie und wo die Abschlepphaken befestigt werden mussten.

 
Kapitel 26
     
    Nach einem frühen Abendessen holte Peter einen der kleineren Rattan-Sessel aus dem Garten, stellte ihn ans Ende des Ganges, nahm, bewaffnet mit der Stahlstange, darauf Platz und wartete.
    Die Tür zum Schlafzimmer hatte er offen gelassen, aber nur einen kleinen Spalt. Vielleicht waren die aus der Schattenwelt ja so scheu wie Rehe, wie Damkitze, die sich ängstlich hüteten, aus der Deckung zu brechen. Er hatte sich vorgenommen, auf deren Instinkte zu setzen. Und darauf, dass seine Tochter schon wissen würde, was am besten war. »Wann immer du so weit bist, Liebling«, murmelte er. »Ich bin für dich da.«
    Gegen zweiundzwanzig Uhr schlief er im Sessel ein. Mit steifen Gliedern, aber erfrischt wachte er bei Anbruch des Morgens auf. Dass er eingeschlafen war, machte ihm weder Sorgen noch ein schlechtes Gewissen, denn er wusste, dass er bei der geringsten Störung aufgewacht wäre; er wäre sofort hochgeschreckt und hellwach gewesen, hätte sich irgendjemand – oder irgendetwas – hier gezeigt.
    Im Haus hatte völlige Stille geherrscht.
    Er konnte nicht jede Nacht Wunder erwarten.
    Peter streckte sich, duschte, ging danach in den Keller und begann zu zeichnen – ganz automatisch, wie es ihm vorkam. Schleusen öffneten sich. Die Ideen schienen ihm durchaus passabel.
    Um elf nahm er den Anruf der Autowerkstatt entgegen. Bemühte sich, gefasst zu reagieren, als man ihm einen Kostenvoranschlag von zweitausendvierhundert Dollar und eine lange Liste nötiger Ersatzteile und Reparaturen präsentierte.
    Selbst in einer Notlage wie dieser brachte es Peter nicht fertig, seine Vergangenheit oder einen Teil davon einfach aufzugeben, im Moment schon gar nicht. Im Gegenteil, er musste die Vergangenheit schützen und bewahren. Also sagte er dem Mechaniker, er solle ruhig mit den Reparaturen anfangen, er werde bald wieder flüssig sein und die Rechnung in der kommenden Woche begleichen.
    In dieser Werkstatt war er bereits seit zwanzig Jahren Kunde, sie hatten dort auch seinen letzten Motorschaden behoben und kannten ihn gut. Nie hatte er sich um eine Rechnung gedrückt. Wenigstens eine gute Beziehung war ihm in seinem Leben geblieben, dem Himmel sei Dank.
    Um vier Uhr nachmittags hatte er dreißig Seiten Handlungsaufriss und zwanzig Manuskriptseiten geschafft. Genau wie in alten Zeiten. Der Entschluss, sich auf keinen Fall von einem Teil seiner Vergangenheit zu trennen, hatte ihn beflügelt und einen anderen, jüngeren Peter Russell auferstehen lassen, der flexibler war und mehr Selbstvertrauen hatte. Zufrieden mit sich, sortierte er die Seiten, stapelte sie ordentlich aufeinander und verstaute sie in einer schwarzen Heftmappe.
    Welchen Unterschied machte es schon, ob er von Geistern verfolgt wurde oder in eine andere Welt eintauchte, während er schrieb – für kurze Zeit in einen anderen Raum und in eine andere Zeit überwechselte? Vielleicht bedeuteten Kunst und Schreiben ja genau das: eine andere Form von Wirklichkeit zu erfassen.
    »Klar«, sagte er kichernd. »Canine Planet. Hunde, die Motorrad

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