Stimmen
fahren und Frauen in Pelzbikinis jagen.«
Siehst du, sagte er sich, du hast Perspektive, kannst blödsinnige Ideen von solchen unterscheiden, die Sinn machen.
Und dass meine Tochter zurückgekehrt ist, macht Sinn.
Meine tote Tochter.
Er arbeitete fast die ganze Nacht durch, schlief nur kurz und machte am Sonntagmorgen weiter. Das Ergebnis waren Dutzende von Zeichnungen, Manuskriptseiten und skizzierte Szenarien – eine Flut von Ideen.
Nur einen Augenblick lang fühlte er sich verloren und hoffnungslos zerbrechlich.
Es ist zu schön, um wahr zu sein. So kann es unmöglich weitergehen.
Kapitel 27
Um halb sechs am Sonntagabend stürzte der seltsame persönliche Schutzraum rund um Peter Russell ein, genau wie er vorhergesagt hatte.
Er war schon einmal an einem solchen Punkt gewesen, voll verzweifelter Hoffnung, die Vergangenheit oder wenigstens einen kleinen Teil davon retten zu können. Vor achtzehn Monaten hatte er sich eines Abends fast bis zur Besinnungslosigkeit betrunken und Phil überredet, ihn nach Sherman Oaks zu einem Medium zu fahren. Der Abend hatte ihn fünfhundert Dollar gekostet und mit einer absoluten Katastrophe geendet.
Phil hatte ihn als völliges Wrack, das unbeherrscht geweint hatte, nach Hause gebracht, ihm Kaffee gekocht und die ganze Nacht bis zum Morgen mit ihm zusammengesessen.
Peter konnte nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passierte.
Während es dunkel wurde und weder das Trans noch irgendein anderes Telefon läutete, als der Sonntag ohne einen Anruf von Helen verstrich, setzte sich Peter in den Garten hinaus. Er ließ sich in den einsamen Rattan-Sessel fallen – der andere stand immer noch auf dem Gang – und faltete die Hände über dem Bauch. Der Himmel, anfangs noch zartblau, zeigte nach und nach unterschiedliche trübe Schattierungen, bis er schließlich einen dunklen Braunton annahm.
Hinter dem Haus, kaum drei Meter entfernt, bimmelte das Windspiel.
Alle vernunftmäßigen Erklärungen kamen ihm inzwischen fadenscheinig vor. »Was hast du gesehen?«, fragte er sich mit bleischwerer Stimme. »Vielleicht hast du sie ja gar nicht gesehen, sondern dir das, was du sehen wolltest, nur eingebildet.«
Aber er hatte sie für Lindsey gehalten, die ihr zwar sehr ähnlich sah, aber nicht in allen Einzelheiten. Lindsey und Daniella waren keine Zwillinge gewesen, die sich aufs Haar glichen. Nach ihrer Geburt – sie waren drei Minuten nacheinander zur Welt gekommen – hatten die Ärzte ihm und Helen, die nach dem Kaiserschnitt aus der Vollnarkose aufgewacht war, von einer dritten Zwillingsart erzählt, die zwar nicht eineiig sei, dennoch mehr Ähnlichkeitsmerkmale aufweise als bei bloßen Geschwistern üblich.
Aufgrund dieser winzigen Unterschiede hatten er und Helen (und auch Phil und viele ihrer Freunde) Lindsey und Daniella stets auseinander halten können, selbst als sie noch Babys gewesen waren und auch wenn sie die gleichen Sachen getragen hatten.
War ihm womöglich ein Geist von Lindsey erschienen – eine übrig gebliebene Inkarnation von Lindseys Emotionen aus früheren Jahren, aus der Zeit unmittelbar nach der Beerdigung?
Peter nickte, weil es ihm auf schreckliche Weise einleuchtend vorkam. Ob er nun geistig gesund war oder nicht, jedenfalls war ihm bislang noch kein regelrechtes Gespenst, kein Spuk, kein Toter erschienen. Aber was war mit dem alten Mann, der wie von einem Sandstrahler bearbeitet ausgesehen hatte, und den Kindern, denen er in der Nähe von Point Reyes begegnet war?
Und doch… Das fahle Gesicht, das er so deutlich über der dunklen Bettdecke im Mädchenschlafzimmer wahrgenommen hatte, hatte sich eindeutig als das von Daniella in seine Erinnerung eingeprägt. Nur hatte die Tatsache, dass er mit Lindsey gerechnet hatte, seine Wahrnehmung beeinflusst.
Aber selbst ein Geist oder Ebenbild von Lindsey hätte niemals in Daniellas Bett geschlafen.
Kummer und Verwirrung packten ihn immer heftiger.
•
Um sieben Uhr abends stieg er die kurze Verandatreppe hinauf und ging durch die hintere Tür in die Küche. Einen Augenblick lang lauschte er auf das Ächzen und Knacken des aufgeheizten Gebälks, leise Geräusche. Keine Startschüsse, die ankündigten, dass sein Verstand auf Urlaub ging oder die Welt sich zu etwas Neuem wandelte.
Da er keinen Hunger hatte, ging er in sein Schlafzimmer und suchte in den Bücherregalen nach Huxleys Die Pforten der Wahrnehmung, bis er das Buch gefunden hatte. Es war ein dünner, blau kartonierter Band mit
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