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Stine

Stine

Titel: Stine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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anfragen und Antwort einholen keinen Sinn. Und so denn noch einmal, meine Entschlüsse sind gefaßt. Du sollst nicht den Anwalt für mich machen, am wenigsten für das, was ich vorhabe: mit solchen Dingen komm ich dir nicht, und wenn ich nichtsdestoweniger dein gutes Wort erbitte, so geschieht es, weil alles Gehässige meiner Natur widerstreitet. Haß ist mir häßlich. Ich erbitte dein gutes Wort, weil ich versöhnungsbedürftig bin und in Frieden aus dieser Alten Welt scheiden möchte.«
    »Was heißt das? Was hast du vor? Waldemar, ich bitte dich, du wirst uns doch nicht eine dieser modernen Selbstmordskomödien aufführen und dich mit deiner Stine nach erfolgter Kopulation, das Wort bleibt mir in der Kehle stecken, auf eine Bahnschiene werfen oder im Hans-und-Grete-Stil in einen Dorftümpel stürzen wollen? Ich bitte dich, Waldemar, verschon uns wenigstens mit einem Debüt im Polizeibericht.«
    »Es ist nicht das. Ich habe nur einfach vor, mit der Alten Welt Schicht zu machen und drüben ein anderes Leben anzufangen.«
    »Und als Hinterwäldler deine Tage zu beschließen. Umgang mit Chingachgook, alias le gros serpent, und Vermählung deiner ältesten Tochter Komtesse Haldern mit irgendeinem Unkas oder einem Großgroßneffen von Lederstrumpf. Was meinst du dazu? Und wenn nicht Hinterwäldler, so doch Cowboy, und wenn nicht Cowboy, so vielleicht Kellner auf einem Mississippidampfer. Ich gratuliere. Waldemar, ich begreife dich nicht. Ist denn keine Spur von Haldernschem Blut in dir? Ist es denn so leicht, aus einer Welt bestimmter und berechtigter Anschauungen zu scheiden und bei Adam und Eva wieder anzufangen?«
    »Da triffst du's, Onkel. Ja, bei Adam und Eva wieder anfangen, das will ich, da liegt es. Was dir ein Schrecken ist, ist mir eine Lust. Ich habe mir sagen lassen, alles regle sich nach einem Gesetz des Gegensatzes, das zugleich ein Gesetz des Ausgleichs ist, eine neue Theorie von diesem oder jenem, die Vorhand ist, glaub ich, streitig. Aber gleichviel, von wem sie herrührt, es hat damit nach meiner eigenen Erfahrung und ebenso nach meinem bißchen Wissen seine vollkommne Richtigkeit. Der Alte Fritz haßte das Alte Testament, weil er in seiner Jugend erbarmungslos damit gequält worden war, und der dicke König liebte die Frauen und überschätzte sie, weil sie fünfzig Jahre lang vom preußischen Hofe verbannt gewesen waren. Alles, was unten ist, kommt mal wieder obenauf, und was wir Leben und Geschichte nennen, läuft wie ein Rad; ›la grande roue de l'histoire‹ sagen die Franzosen. Und nun laß mich die Nutzanwendung machen. Die Halderns haben lange genug an der Feudalpyramide mit bauen helfen, um endlich den Gegensatz oder den Ausgleich, oder wie du's sonst nennen willst, erwarten zu dürfen. Und da kommt denn nun Waldemar von Haldern und bezeigt eine Neigung, wieder bei Adam und Eva anzufangen.«
    Der Alte war nicht unempfindlich gegen solche Sätze, die, wenn sich's nicht um Verwirklichung an einem Familienmitgliede gehandelt hätte, sehr wahrscheinlich seinen Beifall gehabt haben würden. Ein Lächeln lief über sein Gesicht, das ausdrücken mochte: »Sieh, er führt seine Sache gut«, ja, vielleicht entsann er sich sogar, in Übermut und Weinlaune mehr als einmal dasselbe proklamiert zu haben. Und so war es denn in einem viel ruhigeren Tone, daß er antwortete: »Waldemar, laß uns vernünftig reden. Ich bin nicht so verrottet, wie du glaubst. Ich kann dem allen folgen, und ich habe von der göttlichen Weltordnung nicht die Vorstellung, daß sie sich mit dem Staatskalender und der Rangliste vollkommen deckt. Ja, ich will dir noch mehr sagen: ich habe Stunden, in denen ich ziemlich fest davon überzeugt bin, daß sie sich
nicht
damit deckt. Und es werden, und vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft, die Regulierungszeiten kommen, von denen du eben sprachst, und vielleicht auch wieder die Adam-und-Eva-Zeiten. Und sie mögen auch kommen, warum nicht? Ich bin vor Adam nie erschrocken und vor Eva erst recht nicht. Aber sind gerade
wir
dazu da, dem weltgeschichtlichen Umschwungsrade, das du da vorhin zitiertest, sind, sag ich, gerade
wir
dazu da, diesem grande roue de l'histoire solchen energischen Vorwärts- oder meinetwegen auch Zurückruck zu geben? Überlasse das andern. Zur Zeit sind wir nur noch die Beati possidentes. ›Sei im Besitze, und du bist im Recht‹ ist vorläufig noch für
uns
geschrieben. Warum sich selbst um diesen Besitz bringen und auf eigene Kosten eine Zukunft

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