Stine
gefällt. Laß dir sagen, Waldemar, was du freilich auch ohne mich weißt, daß dein Leben an einem seidnen Faden hängt. Also solide! Debauchiere, wer kann und mag, aber jeder nach seinen Kräften, und durchschwärmte Nächte sind nicht für jedermann und sicherlich nicht für dich. Übrigens nichts für ungut. Sitte hin, Sitte her, ich bin kein Sittenrichter und jedenfalls der letzte, dich für den Jünglingsverein anwerben zu wollen; meinen Beitrag zahl ich. Aber Gesundheit, Waldemar, Gesundheit; du bist für immer ins Schuldbuch der Tugend eingeschrieben, oder um mich deutlicher und doch zugleich kaum minder poetisch auszudrücken, du mußt leben wie eine eingemauerte Nonne; den andern trau ich nicht recht. Und nun sage mir, wenn sich's sagen läßt, woher die roten Flecke?«
Waldemar lachte. »Von einem zu frühen Frühstück, lieber Onkel. Ich war beim Baron, und als ich gehen wollte, hielt er mich mit einem Glase Lafitte fest.«
Jetzt war das Lachen auf des alten Grafen Seite. »Der gute Baron. Er nennt es Lafitte, Gott verzeih es ihm, und bildet sich noch ein, eine Weinzunge zu haben. Und warum? Weil er von der Voraussetzung ausgeht, ein beständiger Frühstücker müsse sich auch zum Frühstücksverständigen ausbilden. Ein Satz, der grundfalsch ist und an die Doktoren erinnert, die mit Stolz von ihrer fünfzigjährigen Erfahrung sprechen, nachdem ihnen jeder einzelne wenn irgend möglich gestorben ist. Glaube mir, Waldemar, wer beständig zwischen Hiller und Dressel hin und her pendelt, kann seine Zunge verfeinern, aber auch nicht. Und das letztre bildet die Regel. Übrigens, um elf beim Baron; was bedeutet das? Da muß was vorliegen. Und nun heraus damit!«
»Ich war da, mir seinen Rat zu holen.«
»Bei dem Baron? Rat? Nun, da steh ich doch noch lieber zu seinem Lafitte. Der ist schlimmstenfalls mit Pepsinpastillen zu bekämpfen, aber von seinem Rat ist kein Erholen. Waldemar, ich dächte doch... Rat! Nun, ich bin auch nicht von den Sieben Weisen Griechenlands, aber neben dem Baron... Oder vielleicht war der gute Papageno nur Vorstufe. Laß hören. Ist es eine Sache, von der ich erfahren darf, an der ich möglicherweise mit raten und taten kann?«
»Ja, Onkel. Und zu dem Zwecke bin ich hier. Es ist, wie du sagst, der Baron war nur Vorstufe.«
»Nun denn?«
»Also kurz, ich habe vor, mich zu verheiraten.«
Der alte Graf schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Du erschrickst...«
»Ich erschrecke nicht. Das ist nicht das rechte Wort, und wenn ich eben mit der Hand auf den Tisch schlug, so war es nur ein lebhaftes oder vielleicht auch zu lebhaftes Zeichen meiner Teilnahme. Nervosität, nichts weiter. Du bist überhaupt ein Gegenstand meiner Teilnahme, Waldemar, denn ich bin dir ungeheuer gut, und wenn ich das Wort nicht haßte, weil soviel Mißbrauch damit getrieben wird, so spräch ich dir rundheraus von meiner Liebe. Wahrhaftig, Junge, du bist der Beste von allen lebenden Halderns – vielleicht können wir auch die Toten mit einrechnen –, und ich weiß nicht, was ich alles für dich tun könnte. Daß du mich beerbst, versteht sich von selbst; ich wünsche dir jedes erdenkliche Glück. Aber eines, wenn es eins ist, wünsch ich dir
nicht
. Ein Mann wie du heiratet nicht. Das bist du drei Parten schuldig: dir, deiner Nachkommenschaft – die bei kränklichen Leuten wie du nie ausbleibt – und drittens der Dame, die du gewählt.«
»Es ist keine Dame.«
Der alte Graf verfärbte sich. Unter einem halben Dutzend Möglichkeiten, die durch sein Hirn schossen, war auch eine... Nein, nein... Und er faßte sich wieder und sagte mit wiedergewonnener Ruhe: »Keine Dame. Was dann? Wer?«
»Stine.«
Der alte Graf sprang auf, warf seinen Stuhl um einen Schritt zurück und sagte: »Stine! Bist du toll, Junge?«
»Nein. Ich bin bei Sinnen. Und ich frage dich, ob du mich hören willst?«
Der Graf sagte nicht ja und nicht nein, setzte sich aber wieder und sah Waldemar fragend an.
»Ich nehme an«, fuhr dieser fort, »daß du mich hören willst. Und wenn du meinen ersten Satz gehört haben wirst, so wirst du ruhiger werden. Ich bin in den Jahren und in der Lage, selbständig handeln zu dürfen, und ich
werde
selbständig handeln. An dem allen ist nichts zu ändern; Krankheit macht eigensinnig, und die Halderns sind es von Natur. Ich komme nicht, um eine Familienerlaubnis nachzusuchen, die mir, wenn das Gesetz eine Verweigerung zuließe, verweigert werden würde. Da dies nicht der Fall ist, so hat
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