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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Götz
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man eben hinnehmen. Wahrscheinlich hing es mit dem schrecklichen Tod seines Vaters zusammen. Sie hatte nicht nachgebohrt und ihn einfach in Ruhe gelassen, und er hatte sich dann ja auch wieder eingekriegt. Seither war nichts mehr gewesen.
    »Hey!«, rief sie auf die andere Seite. »Geiler Song. Von wem ist der?«
    »Von mir«, sagte er mit einem verhaltenen Lächeln und hörte auf zu spielen.
    »Von dir? Mann, du wirst mir echt unheimlich. Du zeichnest und schreibst eigene Songs?!«
    »Einen Song komponieren, ist nicht so schwer, wenn man mal die grundsätzlichen Sachen kann.«
    »Sorry, ich kann nur MP 3 -Player.« Sie grinste. »Darf ich rüberkommen, oder stör ich?«
    »Überhaupt nicht. Ich mach dir auf.«
    »Nicht nötig. Spiel lieber weiter.«
    Joy stieg über das Geländer, hangelte sich an der Mauer vorbei und kletterte auf der anderen Seite auf den Balkon. Er sollte auch was zu staunen haben. Aber das funktionierte anscheinend nicht so richtig. Sascha sah sie bloß mit einem Kopfschütteln an.
    »Du bist bekloppt.«
    »Nee, bloß sportlich. Du sollst weiterspielen, hab ich gesagt.«
    Sie lehnte sich ans Geländer, lauschte und betrachtete Sascha dabei: seine dunklen Locken, die ihm bis über die Brauen hingen, das fein geschnittene Gesicht mit den großen, immer etwas traurigen braunen Augen, die schönen Hände und Finger, die den Gitarrensaiten so wunderbare Melodien entlockten.
    »Was ist?«, fragte er, ohne sein Spiel zu unterbrechen. »Was guckst du so?«
    »Nur so.«
    Nachdem sie sich kurz in die Augen gesehen hatten, senkte er den Blick, während sie ihn weiter ansah.
    Nein, er war noch lange kein Mann, aber er war definitiv ein Junge mit Potenzial.

5
    SASCHA WUSSTE SOFORT, dass er das Mädchen mit der zerschlissenen Handtasche, das eben in den Bus gestiegen war, schon mal gesehen hatte. Große, dunkle Augen, spitze Nase und ebenso spitzes Kinn, kirschförmiger Mund. Woher kannte er sie nur? Vielleicht aus der Schule? Dann fiel es ihm ein. Sie hatte auf den Stufen vor Dr. Androschs Praxis gesessen, nach seinem ersten Termin bei ihm. Ohne ihn anzusehen, ging sie an Sascha vorbei und setzte sich ein paar Sitze hinter ihn. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie permanent seinen Nacken anstarrte. Aber wahrscheinlich bildete er sich das nur ein.
    Drei Haltestellen später stieg er aus. Jetzt lagen noch zehn Minuten Fußweg vor ihm. Nachdem der Bus weggefahren war, schaute er kurz über die Schulter. Das Mädchen war auch ausgestiegen. Folgte sie ihm? Quatsch, dachte er. Wieso sollte sie? Wahrscheinlich wohnt sie hier irgendwo. Vor Androschs Praxis angekommen, stapfte er die Stufen hinauf und drückte die Klingel. Sekunden später surrte der Türöffner. Sascha drückte die Haustür auf.
    »Warte mal!«
    Er drehte sich um. Das Mädchen stand auf der untersten Stufe und sah schüchtern zu ihm herauf.
    »Was ist?«
    »Du gehst doch zu Dr. Androsch, oder?«
    »Äh … Ja. Und?«
    Sie griff in die Handtasche, die über ihrer Schulter hing. Ein mehrfach zusammengefalteter Zettel kam zum Vorschein. »Kannst du ihm das geben?«
    »Was ist das?«
    »Nichts Schlimmes. Nur eine … Nachricht.«
    »Und warum gibst du ihm die nicht selbst? Oder schmeißt sie in den Briefkasten?«
    »Weil … Das ist nicht so leicht zu erklären … Mach’s doch einfach, und frag nicht so viel! Bitte!« Sie legte den Kopf schräg und sah ihn aus großen Augen an. Wie sollte er da Nein sagen?
    Ihr Gesicht hellte sich sofort auf, als er den Zettel aus ihrer Hand nahm.
    »Super! Ich warte hier.«
    Zum ersten Mal stand Androsch nicht an der offenen Tür. Erst als das Parkett unter Saschas Schuhen knarzte, kam er in die Diele. »Du bist heute ziemlich spät dran«, sagte er. »War was?«
    »Irgendwie schon.«
    »Und was?«
    »Das hier.« Sascha reichte ihm den Zettel. »Hat mir vor dem Haus ein Mädchen für Sie mitgegeben.«
    »Ich kann mir schon denken, wer das ist.« Androsch steckte den Zettel ungelesen in die Hosentasche. »Komm, fangen wir an.«
     
    »UND? WAS HAT er gesagt?«
    Sie hatte wirklich gewartet. Eine geschlagene Stunde. Sascha fand das mehr als seltsam. Auch wie sie jetzt hibbelig von einem Bein auf das andere trat. Was lief da ab zwischen ihr und Androsch? Oder eher bei ihr.
    »Wie heißt du eigentlich?«, fragte er.
    »Natalie. Jetzt sag schon.«
    »Ich bin Sascha.«
    »Hübscher Name.« Sie lächelte freundlich, aber er wusste genau, dass sie etwas ganz anderes interessierte.
    »Okay, das hier hat er mir für dich

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