Stirb, mein Prinz
war ganz damit beschäftigt zu verarbeiten, was Don ihr gerade gesagt hatte.
»Mein Gott …«
Seine Erzählung hatte sie alles um sich herum vergessen lassen. Es war ein seltsames Gefühl, die unwirklichsten, unvorstellbarsten Dinge in einer so realen, vertrauten Umgebung zu hören. Es hatte den Eindruck seiner Worte auf sie nur noch verstärkt.
»Mein Gott …«, sagte sie erneut. Anders konnte sie nicht ausdrücken, was sie empfand.
»Es tut mir leid, dass du es auf diese Art und Weise erfahren musstest«, sagte Don, der genau wie sie seine Kaffeetasse anstarrte. Im Gegensatz zu Marinas war seine noch halb voll, da er die meiste Zeit über geredet hatte, aber der Kaffee war kalt geworden. »Es tut mir leid, dass du es überhaupt erfahren musstest. Ganz ehrlich.«
»Nein, das ist …« Sie schüttelte den Kopf. »Der arme Phil …«
»Ich habe von Anfang an gewusst, dass ich es ihm eines Tages sagen muss. Na ja, theoretisch wenigstens. Ich habe immer gehofft, dass es nie so weit kommen würde.« Er beugte sich vor und legte seine Hand auf ihre. Sie ließ es zu. »Und mit Sicherheit habe ich nie damit gerechnet, dass es mal auf diese Art ans Licht kommt. Nicht in einer Million Jahren.«
»Das glaube ich.«
»Ich dachte, es wäre vorbei. Ein für alle Mal vorbei.« Er seufzte. »Ich habe es mir so gewünscht.« Er schüttelte den Kopf. »Ganz ehrlich …« Noch ein Seufzer.
Marina sehnte sich nach einer Zigarette. Sie hatte seit Jahren nicht geraucht, nicht seit ihrer Studentenzeit, als sie ihre Kommilitonen hatte beeindrucken wollen. Aber jedes Mal, wenn sie unter Stress stand, stellte sie sich vor, wie der beißende Rauch ihren Hals hinab bis tief in ihre Lunge drang. Wie er sie beruhigte, sie tröstete. Sie wusste, dass diese Wirkung nur eine Illusion war, ein Hirngespinst, und hatte dem Drang zu rauchen tapfer widerstanden. Aber jetzt war er wieder da. So stark wie seit Jahren nicht.
Don lehnte sich zurück. »Wie auch immer. Jetzt weißt du Bescheid.«
»Ja«, sagte sie ausdruckslos, »jetzt weiß ich Bescheid. Und es erklärt einiges.«
»Was meinst du?«
»Phils Verhalten. Er hat Angst, wahnsinnig zu werden. Glaubt, dass er Dinge sieht, die gar nicht da sind, dass er … ich weiß nicht … von Dämonen besessen ist, die er nicht versteht. Von Geistern, die es gar nicht gibt.«
»Und ob es die gibt«, sagte Don. »Sie sind absolut real.«
»Armer Phil …« Marina schüttelte den Kopf.
»Die Frage, die ich dir wohl als Nächstes stellen sollte, da du ja nun Bescheid weißt«, meinte Don, »ist, was du jetzt zu tun gedenkst.«
»Das ist die eine Frage«, sagte Marina. »Ja. Wahrscheinlich ist es sogar die wichtigste. Aber es gibt noch eine andere.«
Don wartete ab.
»Was für Konsequenzen hat das für den Fall?«
Wieder ein Seufzer von Don. »Tja«, sagte er. »An der Stelle kommt die hier ins Spiel …«
Er zog die entwendete Akte unter seiner Jacke hervor und legte sie vor sich auf den Tisch. Beide betrachteten sie, und Marina runzelte die Stirn.
»Ich glaube, wir bestellen uns lieber noch einen Kaffee«, meinte er. »Das kann nämlich dauern.«
68 Mickey war wieder im Büro, druckte eine Zusammenfassung seiner Suchergebnisse zu Richard Shaw aus, sah auf die Uhr und kam zu dem Schluss, dass es allmählich an der Zeit war, Feierabend zu machen. In dem Moment klingelte sein Telefon.
Er warf einen Blick aufs Display. Es wurde nur eine Nummer angezeigt, kein Name. Er nahm das Gespräch an.
»Detective Sergeant Philips.«
»Oh«, sagte eine Stimme am anderen Ende. »Oh. Wie förmlich.«
Eine Frau , dachte Mickey. Und zwar eine, die er kannte. Eine durchaus vielversprechende Kombination.
»Wer ist denn da?«
»Oh, tut mir leid. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie mich wiedererkennen. Entschuldigung. Ich bin es, Lynn. Lynn Windsor.«
Kaum hatte sie ihren Namen gesagt, hatte Mickey auch schon ein Bild der Anwältin vor Augen. Eins, das zu betrachten ihm durchaus Spaß machte.
»Was kann ich für Sie tun, Lynn?«
»Nun ja, ich weiß nicht so recht …« Ihre Stimme wurde leiser, als wolle sie etwas Persönliches sagen und habe Angst, jemand könnte dabei mithören.
»Lassen Sie sich Zeit«, sagte er. Dann merkte er, dass er grinste. Total unprofessionell , dachte er, machte aber keine Anstalten, etwas dagegen zu unternehmen.
»Ich …« Ihre Stimme verebbte. »Ich weiß nicht …«
»Ist schon gut«, sagte er, weil er spürte, dass sie Zuspruch brauchte. »Ganz in Ruhe.«
Sie
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