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Stirb

Stirb

Titel: Stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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hatte ihm mit aller Kraft in die Hand gebissen, aber durch die ledernen Handschuhe verfehlte der Schmerz seine Wirkung. Ein kräftiger Faustschlag traf sie in die Magengrube. Sie krümmte sich vor Schmerz zusammen und rang verzweifelt nach Luft. Sie hatte nicht die geringste Chance gegen ihn. Er zog sie an den Haaren hoch, bis sie, den Rücken ihm zugewandt, kniete.
    »Nein, bitte!« Lara spürte, wie ihr Herz in ihrer Brust hämmerte, als sie im fahlen Licht des Mondscheins eine Klinge in seiner Hand aufblitzen sah. Er zerschnitt erst den einen, dann den anderen Träger ihres Nachthemd bis der Stoff zu Boden glitt und sie splitterfasernackt war. Lara spürte seinen harten Schwanz, als er sich gegen ihren Rücken presste. Langsam fuhr er mit der Messerspitze zu ihrem Hals hinauf, bevor in der nächsten Sekunde unverhofft die Wohnungstür aufkrachte.
    »Polizei! Keine Bewegung!«
    Die sonoren Stimmen der Polizisten, die vor dem Haus postiert waren, dröhnten über den lichtlosen Flur. Blitzschnell ließ die dunkle Gestalt von Lara ab und hetzte zum Balkon.
    Lara fiel nach vorne. Sie zitterte von Kopf bis Fuß und bedeckte sich gerade noch mit dem Bademantel, als die Wohnzimmertür aufflog, die Deckenleuchte anging und zwei uniformierte Polizisten mit gezogenen Pistolen hereingestürmt kamen.
    »Der Scheißkerl ist über den Balkon reingekommen, ich häng mich dran!«, rief einer der Männer und sprintete mit gezogener Pistole hinaus. Der andere rannte zu Lara, während er über Funk Verstärkung und einen Krankenwagen anforderte.
    »Sind Sie verletzt?«
    Lara hielt sich stöhnend die Schulter und stieß ein ersticktes »Ich glaube, es geht schon …« aus.
    »Verdammt, der ist übers Dach entwischt!«, schnaubte der Polizist auf dem Balkon und eilte zu Lara. »Haben Sie den Mann erkannt?«
    Benommen schüttelte sie ihren Kopf.
    »Die Baseballkappe … die Statur – er war es. Aber sein Gesicht …«
    »Irgendetwas, das Ihnen noch aufgefallen ist?«, fragte er hektisch.
    »Es war dunkel … und er hat mir dieses Zeug ins Gesicht gesprüht … ich konnte nichts mehr sehen.« Lara rieb sich die Augen, die noch immer höllisch brannten. Ächzend erhob sie sich, ging vor der Couch in die Hocke und tastete nach ihrem Handy, um Raffael anzurufen.
    »Ich will abreisen, jetzt sofort«, erklärte sie entschlossen, als sie eine halbe Stunde später mit Sylvia Hausmann im Wohnzimmer saß. Die Beamten der Spurensicherung, darunter auch Claudius Killing alias Schneemann, untersuchten die deaktivierte Alarmanlage auf Fingerabdrücke, derweil sich ein Notarzt Laras Schulter ansah und den Verband erneuerte. Sie hatte Glück gehabt, die Naht war wider Erwarten nicht aufgeplatzt.
    »Ich fahre gleich ins Präsidium und leite alles in die Wege«, stimmte Hausmann ruhig und sachlich zu. »Mein Partner wird sicher gleich hier sein. Er bringt Sie dann zu Ihrem Exmann. Die Kollegen vom Zeugenschutz werden Sie und Ihre Tochter dann umgehend dort abholen und sich um alles Weitere kümmern.« Sie warf einen Blick auf die Uhr, als Magnus Kern, verstrubbeltes Haar und zerknittertes Hemd, zur Wohnungstür hereinkam.
    Hausmann streckte Lara die Hand entgegen.
    »Ich schätze, wir sehen uns dann nicht mehr. Ich wünsche Ihnen alles Gute.«
    Ein beherzter Händedruck, dann verschwand die Kommissarin.
    »Wenn Sie dann so weit wären …«, räusperte sich Magnus Kern und lächelte ansatzweise.
    Lara nickte. »Ich hole nur noch mein Gepäck aus dem Schlafzimmer.«
    »Lassen Sie mal, ich mach das schon.« Er nahm ihre Koffer und ging voran.
    Lara nutzte die Gelegenheit, um Torben anzurufen, erreichte aber nur seine Mailbox. Auf der Türschwelle zum Treppenhaus wandte sie sich ein letztes Mal um und warf einen Blick in die Wohnung, die jahrelang ihr Zuhause gewesen war. Plötzlich machte sie auf dem Absatz kehrt und lief zurück ins Schlafzimmer. Mit ihrer gesunden Schulter schob sie die schwere Eichenkommode neben dem Bett beiseite. Sie ging auf die Knie, zwängte ihre Finger in einen Spalt im Holz und hob die Diele leicht an. Die darunter befindlichen Filmspulen waren mit den Jahren verstaubt. Es waren die letzten, wenn auch makabersten Erinnerungsstücke an ihre Mutter. Und wer auch immer diese Wohnung danach beziehen würde, sollte diese Aufnahmen keinesfalls zu Gesicht bekommen. Niemand sollte das.
    Geschwind ließ Lara die Filmspulen in ihrer Reisetasche verschwinden und eilte mit klackernden Absätzen die Treppen hinunter.
    Raffaels Wohnung

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