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Stirb

Stirb

Titel: Stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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lag im dritten Stock des Vorderhauses. Das Haus war ein denkmalgeschützter Altbau am oberen Ende der Schönhauser Allee. Küche und Wohnzimmer lagen zur Straße hin, die übrigen Zimmer gingen auf einen begrünten Innenhof.
    Vor dem Nachbarhaus wimmelte es nur so von feierwütigen, betrunkenen Touristen, die vor einer portugiesischen Bar anstanden, die bis spät in die Nacht geöffnet hatte. Dem Plakat nach feierten die Besitzer zehnjähriges Jubiläum.
    Magnus Kern parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Sie warten hier«, sagte er und stieg aus dem Wagen. Er überquerte die Straße und schob sich an der grölenden Meute vorbei zum Hauseingang. Lara blieb auf dem Beifahrersitz sitzen und sah, wie der Polizist seinen Zeigefinger nach dem Klingelknopf ausstreckte.
    Niemand öffnete.
    Er versuchte es weiter, doch die Tür blieb verschlossen. Lara legte den Kopf schräg in den Nacken und schaute mit gerunzelter Stirn zu Raffaels Wohnung hinauf. Alles dunkel.
    »Ich dachte, Sie hätten Ihren Exmann angerufen?«, fragte Kern, wieder zurück am Wagen, eine Hand an der offenen Beifahrertür abgestützt, die andere in die Hüfte gestemmt.
    »Das habe ich auch, er ist nicht rangegangen, ich habe ihm eine SMS geschickt.«
    Mit nervösen Fingern durchsuchte sie die Reisetasche, bevor ihr wieder einfiel, dass sie ihr Handy hatte abgeben müssen. Kurz ärgerte sie sich darüber, ehe sie sich damit tröstete, dass sie sich ohnehin ein neues hatte zulegen wollen. Kern klappte sein Handy auf und ließ sich Raffaels Mobilnummer diktieren.
    »Scheint ausgeschaltet zu sein«, stellte er Augenblicke später fest. »Sicher, dass es die richtige Nummer ist?« Er beugte sich zu ihr herunter und streckte ihr sein Handy entgegen.
    Sie sah aufs Display. »Ja, die Nummer ist korrekt.«
    Sie versuchten es mit Raffaels Festnetznummer, doch auch dort hob niemand ab.
    »Verdammt«, fluchte Kern, ließ sein Handy zuschnappen und steckte es wieder ein. »Und jetzt?«
    »Warten Sie.« Lara fischte einen Bund mit zwei Schlüsseln aus der Brusttasche ihrer Jeansjacke. »Die hier habe ich ihm nie zurückgegeben – nur für Notfälle«, schob sie mehr aus Verlegenheit hinterher.
    Kern nahm die Schlüssel an sich.
    »Warten Sie, ich komme mit.«
    »Sie rühren sich nicht von der Stelle.« Die Wagentür fiel zu.
    Angespannt blieb Lara sitzen, während Kern im Hausflur auf der anderen Straßenseite verschwand. Endlose Minuten verstrichen. Misstrauisch beäugte Lara die Gesichter der Männer auf der anderen Straßenseite, und immer wieder schnellte ihr besorgter Blick zu Raffaels Wohnung hinauf. Je länger Magnus Kern wegblieb, desto stärker manifestierte sich in ihr das Gefühl, dass da oben irgendetwas nicht stimmte. Und obwohl es eine schwülwarme Sommernacht war, fröstelte sie. Plötzlich sah sie Licht in der Wohnung brennen. Sofort stieg Lara aus dem Wagen und steuerte auf die gegenüberliegende Straßenseite zu.
    An der Haustür kam ihr Kern entgegengeschossen. Sein kantiges Gesicht war blass wie das Antlitz eines Toten, seine Augen weit aufgerissen.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind!«, keuchte er und schob Lara beiseite. »Gehen Sie da nicht hoch!« Er rannte zum Wagen und gab einen Funkspruch an alle Einheiten durch.
    Laras Herz begann zu rasen.
    »Sagen Sie mir sofort, was da oben los ist!«
    »Frau Simons, bitte setzen Sie sich zurück in den Wagen! Ich will nicht, dass Sie …« Doch er sollte nicht mehr dazu kommen, den Satz zu beenden.
    Lara hastete mit Riesensätzen das Treppenhaus hinauf.
    Nicht ahnend, dass sich ihr Momente später in Raffaels Wohnung ein Anblick offenbaren würde, der dem Wort Schmerz eine ganz neue Dimension verleihen und sie bis ans Ende ihres Lebens verfolgen sollte.

Rügen. Sechs Jahre später.
    In einer kühlen Nacht im Mai …
    »Wach auf!« Zwei kräftige Hände rüttelten an ihren Schultern. Im Halbdunkel erkannte Lara markante Züge, die sich langsam zu einem vertrauten Gesicht formten. Dem Gesicht ihres Lebensgefährten.
    »Psssch, schon gut … ist ja gut …«, redete Frank beruhigend auf sie ein, strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus der nassgeschwitzten Stirn und knipste die Nachttischlampe an. »Du hattest wieder diesen Alptraum.«
    Benommen richtete Lara sich im Bett auf und blickte ihn mit schläfrigen Augen an.
    Frank Burlacher war das komplette Gegenteil von Raffael. Aufrichtig und treusorgend, hatte er sie nicht nur mit seiner Persönlichkeit begeistert, sondern ihr auch wieder

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