Stirb
mehr zu sich selbst sagte sie: »Zumindest würde das ihre Haarlänge erklären …«
Kern runzelte nur die Stirn und lachte.
»Ihre Haarlänge?«
Sie warf ihm einen ernsten Blick zu.
»Wenn ich mich recht erinnere, hatte sie bei der Razzia noch sehr viel längere Haare. Ungefähr bis zum Hintern.«
»Und weiter?«
»Sie könnte natürlich Extensions getragen haben oder eine Perücke«, spekulierte Hausmann. »Es sei denn, der Täter hätte ihr die Haare vor ihrem Tod bis zur Schulter abgeschnitten – damit sie besser in sein Beuteschema passte, bevor er den finalen Schnitt ausgeführt hat. Selbst wenn er sich dieses Mal nicht viel Zeit mit ihr lassen konnte, musste alles so perfekt wie nur möglich sein.«
Ihr Kollege musterte sie eine Sekunde lang sprachlos, dann sah er wieder auf die Tote hinab. »Möglich wäre es«, Georg Russbach, der jetzt unmittelbar hinter ihnen stand und sein Handy wegsteckte, räusperte sich. »Anscheinend ist dieser Kerl noch viel obsessiver, als wir bislang angenommen haben.«
***
Vier Stunden später auf dem Revier der Berliner Mordkommission …
Der unablässig vor sich hin surrende Ventilator kämpfte erfolglos gegen die drückende Schwüle auf dem Korridor an, über den Torben mit zwei Bechern schwarzem Kaffee in der Hand auf Lara zukam.
»Hier …«, sagte er und streckte ihr einen entgegen. Doch Lara lehnte ab. Sie konnte weder diesen verfluchten Kaffee noch dieses stickige Revier, auf dem sie seit dem frühen Morgen wartete, länger ertragen. Kern und Hausmann hatten sie gebeten, zu kommen, nachdem sie gestern Anzeige gegen Unbekannt wegen der Zerstörung des LARA s erstattet hatte.
Nervös knetete sie ihre Hände im Schoß. Die makabre Botschaft in der Küche wollte ihr nicht aus dem Kopf, und die Angst, die allein der Gedanke daran in ihr auslöste, kroch ihr tiefer und tiefer in die Glieder. Torben nahm auf dem Stuhl neben ihr Platz und stellte die Becher auf dem Boden ab, um Lara zu umarmen. In dieser schweren Zeit war er ihr einziger Halt, und seine Berührungen taten unendlich gut. Emma war noch immer bei Raffael. Sie sollte von dem ganzen Alptraum nichts mitbekommen.
»Mit etwas Glück haben sie ihn bald gefasst«, versuchte Torben sie zu beruhigen und zog Laras Kopf an seine Brust.
Auf einmal sah Lara ihn seltsam an. »Du verschweigst mir doch was, los, raus mit der Sprache, du sitzt doch direkt an der Quelle – was ist passiert? Ich bin nicht nur wegen dieser Sache im Café hier, stimmt’s?«
Torben nippte an seinem Kaffee und wich ihrem Blick aus.
»Deshalb hast du auch vorgeschlagen, mich zu begleiten – sag schon, was ist los? Hattest du ein neues Opfer auf dem Obduktionstisch?«
»Lara, du weißt, dass ich nicht darüber reden darf und …« Er verstummte, als Magnus Kern aus dem Büro der Hauptkommissarin trat und Lara auffordernd zunickte.
»Ich muss Sie bitten, draußen zu warten«, wies er Torben an, der sich mit Lara erhoben hatte. Sie bedeutete Torben, auf dem Korridor zu warten, und als sie in Sylvia Hausmanns Büro verschwand, sah sie ihm an, dass er sie nur ungern allein ließ.
Hausmann saß hinter einem großen unaufgeräumten Schreibtisch, auf dem sich leere Pappbecher und Berge von Aktenordnern stapelten. Sie wirkte aufgewühlt und hatte Lara bereits erwartet.
»Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, bitte nehmen Sie doch Platz.«
Lara sank auf den Stuhl neben Kern.
»Es hat ein weiteres Opfer gegeben«, begann die Kommissarin.
Lara zuckte innerlich zusammen. Also doch.
Die Kommissarin holte durch die Nase tief Luft und beugte sich leicht vor. »Die Abstände, in denen dieser Psychopath tötet, werden immer kürzer, zudem hat seine Vorgehensweise inzwischen ein Maß an Brutalität und Grausamkeit erreicht, das wir so noch nicht erlebt haben. Man könnte fast meinen, Ihr Entkommen aus diesem Taxi hat ihn erst richtig angestachelt. Und dann diese Drohung …« Kopfschüttelnd zog sie unter einem Aktenordner ein Foto hervor, das die Spurensicherung im Café gemacht hatte.
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Frau Simons, dieser Mann da draußen ist äußerst gefährlich«, warnte Hausmann, bevor sie die nächste Bombe platzen ließ: »Sie sind in Berlin nicht mehr sicher – ich rate Ihnen dringend, umgehend die Stadt zu verlassen und sich in die Obhut eines Zeugenschutzprogramms zu begeben.«
Entgeistert blickte Lara auf.
»Zeugenschutzprogramm?« Kurz glaubte sie, sich verhört zu haben. »Das ist nicht Ihr
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