Stirb
verbrachte, in den frühen Morgenstunden gebracht würde. Nicht einmal die Beamten der Berliner Mordkommission würden ihren neuen Aufenthaltsort erfahren. Alles war streng geheim.
Den Abend hatte Lara mit Torben verbracht, der ihr bei einer Flasche Rotwein und Gesprächen über alte Zeiten beim Packen geholfen hatte. Er war der Einzige, der von ihrem Vorhaben wusste, und die Vorstellung, ihn nie wiederzusehen, löste ein ebenso flaues Gefühl bei Lara aus wie die Tatsache, dass dies die letzte Nacht in ihrem alten Leben sein sollte.
Im hereinfallenden Licht der Straßenlaternen betrachtete sie die gepackten Koffer neben der Tür. Als Kind hatte sie sich oft gewünscht, jemand anders zu sein. Doch inzwischen hatte sie sich ihre eigene kleine Welt geschaffen. Etwas, worauf sie stolz war. Nun aber würde sie eine Reise ins Ungewisse antreten, ohne Rückfahrschein.
Schon jetzt kam sie sich wie eine Fremde in ihrem eigenen Leben vor. Doch solange Emma und sie dort sicher waren, würde sie sich mit jedem Ort der Welt arrangieren.
Für einen Moment dachte sie an ihre Mutter, eine gescheiterte Schauspielerin, die für jede noch so miserable Gage jede x-beliebige Filmrolle blind angenommen hatte. Nun war es an Lara, die Hauptrolle in einem Film zu spielen, dessen Drehbuch sie nicht kannte und ohne zu wissen, ob es ein Happyend geben würde.
***
Die rotleuchtenden Ziffern des Radioweckers auf Laras Nachttisch sprangen auf drei Uhr um, als sie ein leises Quietschen aus dem Schlaf riss. Sie schlug die Augen auf, doch das Geräusch war abrupt wieder verstummt. Nur der Wind, der an den Fensterläden rüttelt, beruhigte sie sich und versuchte, wieder einzuschlafen. Doch da – da war es plötzlich wieder. Lara schlug die Decke beiseite und stieg mit einem mulmigen Gefühl aus dem Bett. Sie zog ihren seidenen Morgenmantel über, nahm instinktiv ihr Handy vom Nachttisch und ging auf die Nummer, die Hausmann ihr für Notfälle gegeben hatte.
Barfuß schlich sie über die Dielen, die knarrend unter ihren Schritten nachgaben. Plötzlich vernahm sie ein dumpfes Poltern. Leise und doch zu laut, als dass es aus der Nachbarwohnung hätte stammen können. Immer wieder blickte Lara sich um und achtete auf jeden Schatten, während sie auf Zehenspitzen durch den Flur schlich. Dabei bemerkte sie nicht, dass das kleine grüne Lämpchen der scharf gestellten Alarmanlage erloschen war. Letzte Spuren der Müdigkeit fielen von Lara ab, als sie mit pochendem Herzen feststellte, dass sie die Balkontür im Wohnzimmer nicht richtig geschlossen hatte. Ein leichter Windstoß blähte die bodenlangen Vorhänge auf und fuhr ihr unters Nachthemd. Lara trat auf den Balkon hinaus. In dem kleinen, verwinkelten Innenhof war alles ruhig. In der Ferne hasteten Schritte über den Asphalt, bevor diese von der nächtlichen Stille geschluckt wurden.
Dann war es wieder still. So still, wie es in einer lauen Sommernacht mitten in Berlin eben sein konnte.
Kopfschüttelnd ging Lara wieder hinein. Sie wollte die Balkontür gerade schließen, da vernahm sie ein leises Knacken hinter sich. Sie war nicht allein.
Lara stockte der Atem. Er war in ihrer Wohnung. In ihrem Wohnzimmer. War direkt hinter ihr. Im fahlen Spiegelbild der offenen Balkontür tauchten die Umrisse einer breitschultrigen Gestalt mit Baseballkappe auf, die jetzt direkt von hinten auf sie zu geschnellt kam. Doch ehe Lara reagieren konnte, hatte er sie rücklings zu Boden geschleudert. Ihr Handy schlitterte unter die Couch, als er ihr plötzlich etwas ins Gesicht sprühte, das wie Säure in ihren Augen brannte. Lara schrie vor Schmerz. Schrie vor Angst. Schrie um ihr Leben, während sie blind und voller Panik auf allen vieren durch das dämmrige Wohnzimmer krabbelte, um sich zwischen Emmas herumliegenden Spielsachen zum Kamin vorzukämpfen. Wenn sie es zum Schürhaken schaffte, dann … Plötzlich packte er sie beim Genick und zerrte sie zurück wie eine ungehorsame Hündin. Lara rollte sich auf den Rücken und trat wie wild um sich. Der Mann warf sich mit seinen Knien auf ihre Rippen, drückte ihr mit einer Hand den Mund zu, mit der anderen riss er ihren Morgenmantel auf. Ihre Schreie erstickten unter seiner kräftigen Hand, während sie um sich schlug.
»Halt endlich still, Fotze – ich werd dir’s Maul schon stopfen!«, zischte er leise durch die Dunkelheit, fuhr Lara unters Nachthemd, drückte ihre linke Brust, als wolle er sie zerquetschen.
»Miststück!«, ächzte er plötzlich. Lara
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