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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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gegenüberliegenden Parkplatz suchte. Ein bißchen verwirrt sah er aus. Jetzt hatte er den Wagen erreicht; er schloß die Tür auf und setzte sich hinters Steuer. Mensch, der war ja in ihren Wagen… Nein. Ihrer stand weiter links.
    Er hielt noch einmal unter ihrem Fenster, drehte die Scheibe herunter, flüsterte ihr etwas zu, das sie nicht verstand, und sah recht glücklich aus. Warum auch nicht. Seine einsamen Tage in Bramme waren vorüber. Und die Nächte wohl auch… Sie war sich nicht so recht im klaren darüber, wie es weitergehen sollte, aber da fand sich schon was. Sie sah hinterher, wie er Gas gab und in Richtung Brammermoorer Heerstraße davonfuhr.
    Helmut Lemmermann, genannt Lemmy, 42 Jahre alt, geschieden, einsachtzig groß, 79 Kilo, Geschäftsmann, geboren und aufgewachsen in Bramme, Lehr- und Wanderjahre in Bremen, Wuppertal und Essen, zwei große Geschäfte in Berlin, eines in Bramme, Tennisspieler, Kenia-Urlauber, FDP-Wähler, melancholisch, dauernd unglücklich verliebt, evangelisch, aber kein Kirchengänger, zur Gastritis neigend und…
    Mein Gott!
    Träumte sie? Phantasierte sie?
    Nein, es war Realität.
    Eine heftige Detonation hatte… Das Vorderteil des Wagens, rechts… Er verlor die Kontrolle über… Er raste in die große Scheibe des Supermarkts.
    Mein Gott!
    Die Lichtreklame verlosch flackernd. Das R von TASCHENMACHER leuchtete am längsten… Taschenmacher, dachte sie mechanisch. Krebsfleisch. Dann dachte sie nur noch: Lemmy!
    Er mußte… Nein!
    Geschrei und Lärm auf der Straße. Lichter flammten auf, Männer stürzten nach draußen, Frauen rissen Fensterflügel auf.
    Katja rührte sich nicht. Wenn er wirklich tot war, war es… Er hätte noch dreißig Jahre zu leben gehabt… Wenn man tot war, war es egal, wie alt man geworden war… Und ich bin schuld an seinem Tod!
    Hätte sie nicht wissen wollen, ob er ihr Vater…
    Bramme mochte sie beide nicht.
    Was sollte sie tun?
    Warten?
    Helfen konnte sie ihm doch nicht, das besorgten andere besser.
    Die Kripo würde wissen wollen, wo er sich zuletzt aufgehalten hatte…
    Neue Schwierigkeiten. Die rote Hure soll aus Bramme verschwinden! Das war Wasser auf deren Mühlen.
    Mein Gott, sie war erwachsen. Es war ihr Körper. Es war ihr Recht… Aber was zählte das.
    Sie mußte nach Lemmermann sehen!
    Sie zog sich schnell Jeans und Pulli an, schlüpfte in ihre Sandalen, stürzte auf die Straße, lief zum Supermarkt hinüber.
    Lemmermanns Wagen stand halb im Laden, halb hing er auf die Straße hinaus. Die Auslagen waren wie Geschosse nach allen Seiten fortgeflogen. Ein Chaos.
    Der Unfallwagen war gekommen. Sein Blaulicht färbte die Gesichter; überall nur Leichenblässe. Durch einen Brei von zermanschtem Obst und zersplittertem Glas trugen sie Lemmermann hinaus. Er stöhnte leise.
    Noch vor einer halben Stunde… Sie sah noch, daß sein Kopf voller Blut war, dann wurde ihr schwarz vor Augen.
    Minuten später fand sie sich auf einem Einpacktisch des Supermarkts wieder. Corzelius flößte ihr Cognac ein.
    Corzelius?
    Ja.
    „Sie…?“
    „Der rasende Reporter, ja.“
    Unmöglich. So schnell konnte er doch gar nicht… Aber vielleicht war sie so lange…? Sie richtete sich auf.
    Lemmermann war abtransportiert worden; die Feuerwehrleute räumten auf, zogen gerade den Wagen auf die Straße zurück. Kämena und die Leute von der Spurensicherung hatten das Notwendige bereits getan. Der Kommissar hatte sich irgendwo geschnitten, saugte das Blut aus dem Mittelfinger und murmelte etwas von Wundstarrkrampf und Blutvergiftung. Taschenmacher, von Anwohnern aus dem Bett telefoniert, kam vorgefahren und jammerte.
    Katja hatte gar nicht bemerkt, wie Corzelius sie stützte. Behutsam, liebevoll. Es kam ihr so vor, als hätte sie ihn betrogen. Wenn er doch nur… Dann wäre alles nicht passiert, und Lemmermann lebte noch… Quatsch. Er hatte ja gestöhnt. Aber… Sie wagte nicht, Corzelius zu fragen.
    Doch der erriet offenbar ihre Gedanken: „Wir rufen nachher mal im Krankenhaus an.“
    Corzelius tat ihr leid. Sie hätte heulen können. Er ahnte sicherlich, was sie und Lemmermann… Schlimm für ihn. Sie mußte etwas tun.
    „Ich habe Ihnen eine Menge zu erzählen… Können wir…“ Nein, nicht ins Pensionszimmer!
    Er schien auch das zu erraten. „Bei mir in der Redaktion haben wir Platz, kommen Sie.“
    Sie gingen schweigend die Knochenhauergasse hinunter, überquerten den Marktplatz und betraten das Gebäude des Brammer Tageblatt durch den Hintereingang. Im Hof

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