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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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so, wie Corzelius sagte, daß sie diese Woche die 80 Pfennig für den »Schicksalsroman« gespart hatte. Das Brammer Tageblatt ersetzte diesmal alles; Corzelius hatte ganze Arbeit geleistet. Allein die Überschriften waren Klasse:
     
    VATER UND TOCHTER LAGEN SICH IN DEN ARMEN
    Jubel im Wespennest: Eberhard Kossack erkennt seine Tochter. Die romantische Liebe zweier junger Menschen aus Bramme, die einst am erstarrten Wertsystem der deutschen Nachkriegsgesellschaft zerbrach, fand nachträglich ihre Krönung. Überglücklich lagen sich gestern der 44jährige Direktor des Hotel-Restaurants Zum Wespennest Eberhard Kossack und seine Tochter in den Armen (Foto). Die 22jährige Soziologiestudentin Katja Marciniak aus Berlin ist …
     
    Ein taschenbuchgroßes Foto zeigte sie mit Kossack und dessen Frau. Ihr Vater hielt sie im Arm, während sie ihn auf die Wange küßte…
    Ihr Vater.
    Es war noch ungewohnt, klang aber gut. Ihr Leben war um eine Facette reicher geworden. Sie kam gut mit ihm zurecht, auch mit ihrer… Na ja: Stiefmutter… Das Essen im Wespennest war phantastisch gewesen, später waren sie in Kossacks Wohnung mit ein paar Freunden des Hauses zusammengekommen. Meine Tochter; darf ich vorstellen… Es hatte ganz stolz geklungen. Er hatte ihr immer wieder erklärt, warum er sich nicht früher um sie gekümmert hatte: Er habe sich anfangs nicht überwinden können, habe nicht die Kraft gehabt, nach Berlin zu den Marciniaks zu fahren, die ihn so gekränkt und gehaßt hätten. Dann – 1951 – habe ihm Marianne geschrieben, die kleine Katja sei an einer Lungenentzündung gestorben…
    Verständlich, daß die Sache für ihn abgeschlossen war. Aber nun war ja alles in Ordnung.
    Recht hatte er.
    Seine lachsfarbenen Rosen schimmerten in der Sonne.
    Katja gähnte. Heute sah sie ihn nicht, höchstens mal kurz im Wespennest, wo es am Wochenende immer hoch herging. Und sie war ja auch ausgebucht: um zwölf mit Corzelius nach Worpswede, worauf sie sich schon mächtig freute; um sieben Uhr abends ein Vorgespräch mit Dr. Trey in dessen Wochenenddomizil am Fluß unten. Er konnte nur sonnabends. Sie hatte mit Biebusch hingehen sollen, aber der mußte noch am Nachmittag zu einer Besprechung nach Bonn – Bildungsrat oder so was… Da Kuschka nach Hamburg wollte, wahrscheinlich ins Eros-Center, und Frau Haas ihren Mann in Bremen vom Flugplatz abholen mußte, blieb alles an ihr hängen. Aber was machte das schon – ihre Laune war so prächtig, daß…
    Laute Stimmen auf dem Flur schreckten sie auf. Sie hatte sich gerade aufgerichtet, um besser lauschen zu können, da bummerte es gegen ihre Tür.
    „Hallo, Katja – ich bin’s; machen Sie mal bitte auf!“
    Bernharda. Ach, du heiliger Strohsack! Was will die denn hier? – „Es ist nicht abgeschlossen.“
    Bernharda stürzte ins Zimmer, das Brammer Tageblatt in der Hand. „Hast du das gelesen?“
    Katja sah die hektische Röte im Pferdegesicht der Walküre und zog sich unwillkürlich weiter ins Bett zurück. „Natürlich. Hier liegt doch die Zeitung…“
    Frau Meyerdierks stand gaffend in der Tür. Der Hase war unters Bett geflüchtet. Bernharda scheuchte die Wirtin fort, baute sich vor Katja auf und sah sie triumphierend an.
    „Alles Betrug, mein Kind – alles Betrug! Kossack ist nie und nimmer dein Vater!“
    Katja lachte. „Sie sind ja…“
    „Nein, ich bin nicht meschugge. Ich nicht! Er kann gar nicht dein Vater sein…“
    „Was Sie nicht sagen!“ Sie haßte diese häßliche Frau mit ihrem gelben Pferdegebiß.
    Bernharda ließ sich nicht beirren. „Erstens ist er impotent und kann gar keine Kinder zeugen. Seine Frau läuft schon seit Jahren zum Gynäkologen, aber der sagt, daß es an ihr nicht liegen kann…“
    „Lassen Sie doch Ihr gehässiges Geschwätz! Sie wollen mir bloß alles kaputtmachen!“
    „… zweitens ist die Freundschaft zwischen ihm und deiner Mutter schon Ende April 1949 in die Brüche gegangen. Hier, in meinem Tagebuch steht’s!“ Sie warf ihr einen schmuddeligen Kalender auf das Bett.
    Katja hatte aufgehört, sie zu beschimpfen; wie gelähmt lag sie da… Wenn sie nun recht hatte?
    Bernharda fuhr fort: „Sie konnten sich nicht mehr riechen. Es war aus, aus, aus! Kein Gedanke daran, im Juli miteinander zu… ein Kind zu zeugen. Unmöglich!“
    Katja standen die Tränen in den Augen. Sie spürte, daß es kein leeres Gerede war, daß Bernharda wußte, wovon sie sprach.
    „Und drittens… Drittens war Kossack den ganzen Juli über mit dem

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