Stoerfall in Reaktor 1
verbrauchter Elemente. Und ein paar Zahlen, dass Atomkraft eben nicht billiger ist, und vor allem, dass alle AKW s sofort vom Netz genommen werden könnten, ohne dass irgendwo die Lichter ausgehen. Es folgen ein paar Sätze zur Arbeitsmarktsituation, dass sogar zusätzliche Arbeitsplätze im Bereich alternativer Energien benötigt werden würden.
Und dann kommt es!
Unwillkürlich stößt Lukas einen Pfiff aus, als er die nächsten Sätze laut vorliest: »›Ich fordere die sofortige Stilllegung des AKW s in Wendburg! Wir müssen diesen Schritt gehen, wenn wir auch morgen noch in den Spiegel schauen wollen, ohne uns zu schämen. Wir tragen eine große Verantwortung dafür, wie wir diese Welt unseren Kindern und Kindeskindern hinterlassen wollen, und müssen deshalb jetzt aktiv für eine kernkraftfreie Zukunft eintreten. Wendburg bietet alle Möglichkeiten, hier einen Präzedenzfall zu schaffen, es gilt jetzt, unseren Ort zu einem bundesweiten Vorzeigemodell zu machen, auf rein ökologischer Basis, mit alternativer Energieversorgung und nachhaltiger Ressourcennutzung. Atomkraft ist nicht sicher, wir sollten aussteigen, solange wir noch die Chance dazu haben!‹«
»Wow!«, meint Jannik. »Da hat er sich ja richtig weit aus dem Fenster gelehnt. Wusste ich gar nicht, dass er mal mit so einem Programm angetreten ist! Aber wir reden doch hier von demselben Burmeister, der jetzt …«
»… der Leiter des Tourismusverbandes ist, genau«, bestätigt Alex.
»Und?«, fragt Lukas. »Ich kapier’s noch nicht. Okay, der hat eine klare Linie gefahren, aber irgendwie hat das keiner so richtig mitgekriegt hier, oder was willst du sagen? Und bei der Wahl ist er sowieso baden gegangen, dein Vater ist doch ohne Probleme wiedergewählt worden, oder?«
»Du kapierst es echt nicht«, sagt Alex. »Aber okay, dann lest mal auf der letzten Seite, unter ›Ankündigungen‹. Vielleicht hilft euch das ja weiter.«
Als Jannik die Zeitung umdreht, sehen sie eine Übersicht zu den Terminen der Wahlkampfveranstaltungen, bei denen die beiden Kandidaten aufgetreten sind. Kaninchenzüchter-Treffen beim Ortsverein, Schlachtfest im Gasthaus »Zur Eiche«, Party bei der Freiwilligen Feuerwehr.
»Das gibt’s nicht«, sagt Jannik und zeigt auf den rot umrandeten Kasten unter den Terminen. Da steht:
Der Bürgermeister-Kandidat Jens Burmeister hat seine Teilnahme an allen Veranstaltungen aus persönlichen Gründen absagen müssen.
»Das heißt …«
»Mein Vater war überall alleine«, sagt Alex. »Es gab keinen Gegenkandidaten, der ihm irgendwie hätte gefährlich werden können. Aber das ist noch nicht alles, Leute. Ich bin auch nur durch Zufall draufgekommen, weil ich überlegt habe, was ich über Burmeister überhaupt weiß. Was er vorher gemacht hat, meine ich, vor dem Job als Tourismusmanager. Und bevor er kandidiert hat.«
»Keine Ahnung«, sagt Jannik. »War der nicht … Doch! Der kommt doch aus dem Laden am Markt, Ansichtskarten und Zeitungen und so was, Bücher, was weiß ich. Das ist doch seine Mutter, die da arbeitet, und er hat da früher auch immer rumgestanden, weiß ich noch. Er hat mich auch mal fast erwischt, als ich so einen Softporno da bei ihm klauen wollte!«
Alex nickt. »Das ist der Laden von seiner Mutter, stimmt. Und er hatte eigentlich eine kleine Werbeagentur, ist aber nicht so gut gelaufen. Hat die Schaukästen für die Sparkasse dekoriert und so was. Und dann ist er plötzlich in die Politik gegangen, sitzt auch schon länger mit im Gemeinderat.«
Er macht eine Pause, als wolle er die Spannung erhöhen. Als er umständlich ein Kaugummi aus der Tasche holt, fragt Lukas genervt: »Und? Weiter?«
»Weiß einer von euch eigentlich, seit wann wir diesen Tourismusverband überhaupt haben?«
Jannik zuckt mit der Schulter. »Noch nicht so lange. Seit letztem Jahr irgendwie oder so.«
»Nicht irgendwie oder so«, meint Alex. »Sondern ziemlich genau, seit mein Vater wiedergewählt wurde. Das war eine der ersten Sachen, die sie gemacht haben, einen Tourismusverband für die Region! Gab es vorher nicht. Na, klingelt’s endlich?«
»Sie haben Burmeister gekauft«, sagt Lukas. »Alles klar, Mann! Sie haben ihm einen guten Job verschafft und dafür hat er aufgehört rumzustänkern. Passt, von wegen er hat aus persönlichen Gründen den Wahlkampf abgebrochen, die haben einen Deal mit ihm gemacht!«
»Das gibt’s nicht!«, wendet Jannik ein. »Das passiert nur im Film, Leute! Lest euch doch noch mal durch, was hier
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