Stoerfall in Reaktor 1
Hochsitz auf Jannik wartet, geht ihm durch den Kopf, wie bescheuert es eigentlich ist, dass Leute wie Janniks Vater sich über den Lärm vom Flaschencontainer aufregen, aber das AKW sie kaum zu stören scheint. Unglaublich eigentlich, denkt er, dass Greenpeace oder Robin Wood oder irgendwelche Wissenschaftler und Ãrzte alle Fakten benennen können, ohne dass irgendetwas in den Köpfen der Leute passiert. Aber wenn jemand ihre Mittagsruhe stört, dann drehen sie durch!
Als kurze Zeit später ein Hubschrauber über den Wald knattert, hat Lukas wieder das Bild der letzten Nacht vor Augen. Der Hubschrauber über dem Ort, die Rettungsfahrzeuge, die wie aus dem Nichts aufgetaucht sind, die Kolonne von schweren Lastwagen, die zum AKW fuhren. »Und es war doch die Bundeswehr«, murmelt er halblaut vor sich hin. »Es passt alles!«
Diesmal ist es ein Rettungshubschrauber, der kurz vor Wendburgs Stadtkern nach links abschwenkt, in Richtung Autobahn. Wahrscheinlich hat es mal wieder einen Unfall gegeben, denkt Lukas noch, als er Jannik ganz auÃer Atem mit seinem Fahrrad den Forstweg entlangkommen sieht.
Sie klettern hintereinander auf den Hochsitz. Unten läuten die Kirchenglocken. Ein Trecker rattert in der Ferne über die Felder. Noch weiter weg glänzt die Reaktorkuppel in der Sonne, darüber ballt sich die übliche Dampfwolke. Reglos, wie festgewachsen. Es sind mindestens dreiÃig Grad, selbst hier oben am Waldrand ist nicht der kleinste Luftzug zu spüren.
Lukasâ T-Shirt klebt an seinem Oberkörper, auch unter Janniks Achselhöhlen zeichnen sich dunkle SchweiÃflecke ab. Die Luft über den Feldern scheint in der Hitze zu flimmern.
Als sie oben sind, beginnt Lukas ohne Umschweife von den beiden Typen zu erzählen, die heute Vormittag bei ihm zu Hause aufgetaucht sind. Und von der Frage, die er erst hinterher wirklich begriffen hat.
»Bist du dir sicher, dass du den Typen nicht vielleicht falsch verstanden hast?«
Lukas nickt. »Ganz sicher. Er hat gefragt, woher wir von dem Störfall gewusst haben. âºDu und wer auch immer von deinen Kumpelsâ¹, so hat er es gesagt.«
Jannik starrt seinen Freund einen Moment wortlos an. Dann sagt er leise: »Das kann nur eins bedeuten â¦Â«
»⦠sie haben wirklich einen Störfall gehabt«, nickt Lukas.
»Ich fasse es nicht! Während wir unseren Fake gemacht haben, ist ein echter Unfall im AKW passiert! Aber ohne dass sie Alarm gegeben haben, das kapiere ich nicht. Müssen sie nicht Alarm geben, wenn so was ist?«
»Habe ich auch schon überlegt, während ich auf dich gewartet habe. Aber vielleicht war es auch nicht letzte Nacht, sondern schon vorgestern oder noch länger her. Irgendwas ist passiert und die waren noch dabei, es in den Griff zu kriegen. Und das hängen sie natürlich nicht an die groÃe Glocke. Aber das würde erklären, warum auffällig viel los war auf dem Gelände, da waren jedenfalls mehr Leute als sonst in der Nacht. Und wenn sie so was wie Alarmbereitschaft hatten, ist auch klar, wieso die Bundeswehr so schnell da war. Es war die Bundeswehr, jede Wette! Genau wie der Hubschrauber, erinnerst du dich? Da waren wir gerade zehn Minuten aus dem Ort raus, als die schon aufgetaucht sind. So schnell geht das normalerweise nicht, es sei denn, sie haben nur darauf gewartet, dass sie den Einsatzbefehl kriegen. Das passt, Jannik! Irgendwie so muss es gewesen sein â¦Â«
»Die Sache mit Alexâ Vater«, sagt Jannik scheinbar ohne Zusammenhang, »das macht dann auch plötzlich Sinn!«
»Was? Ich kapier nicht â¦Â«
»Wollte ich dir sowieso noch erzählen, Alex hat mich heute morgen nämlich angerufen â okay, ich weië, unterbricht Jannik sich sofort, als er sieht, dass Lukas was sagen will, »war gegen die Absprache, schon klar, aber Alex war irgendwie voll nervös. Ich habe gedacht, dass es nicht weiter wichtig ist, aber jetzt passt das plötzlich alles! Mann, das ist der Hammer, echt!«
»Noch mal von vorne«, sagt Lukas leicht genervt. »Was hat Alex dir genau erzählt?«
»Als er letzte Nacht loswollte, war der Schlüssel vom Nebeneingang zum Rathaus nicht da. Und Alexâ Vater war auch weg. Also war schon irgendwie klar, dass er wahrscheinlich selbst ins Rathaus gefahren ist. Deshalb ist Alex dann auch trotzdem dahin, musste er ja auch, wegen unserer Aktion, sonst wäre ja
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