Stoerfall in Reaktor 1
kriegen, bevor einer auf die Idee kommt, danach zu suchen. Aber wie?«
Alex hat das Megafon organisiert. Schon vor ein paar Tagen, auch aus dem Rathaus natürlich, aus irgendeiner Abstellkammer neben dem Büro seines Vaters, in der er es zufällig mal entdeckt hat. Er hat sie mehr oder weniger davon überzeugt, dass sein Vater wahrscheinlich noch nicht mal wusste, dass es das Ding da überhaupt gab. »Null Risiko, dass sie es vermissen«, hat er zu Lukas und Jannik gesagt. »Das Teil liegt da bestimmt schon seit Jahren, ohne dass es je einer benutzt hat.«
Aber jetzt scheint es so, als habe ihre Aktion für deutlich mehr Aufruhr gesorgt, als sie erwartet haben. Schon die Tatsache, dass die beiden Typen heute Vormittag bei Lukas aufgetaucht sind, konnte nur bedeuten, dass sie unter allen Umständen herausfinden wollen, wer dahintersteckt. Und damit war durchaus möglich, dass sie irgendwann einfach eins und eins zusammenzählen würden: Bei der Aktion war ein Megafon benutzt worden. Keiner hat zu Hause einfach so ein Megafon rumliegen. Megafone hat nur die Polizei. Oder eine politische Partei, für irgendwelche Versammlungen. Partei gleich Rathaus. Und jemand ist im Rathaus gewesen und hat die Sirene eingeschaltet. Jemand, der sich auskannte. Und der auch wusste, dass es da ein Megafon gab. Das unter Garantie auch in irgendeiner Inventarliste auftaucht. Und das jetzt verschwunden ist.
»Keine Ahnung, wieso sie zuerst bei mir waren.« Lukas überlegt einen Moment. »Vielleicht wirklich nur, weil ich das Praktikum da im AKW gemacht habe und ihnen aufgefallen bin. Aber es kann nicht lange dauern, bis sie auch auf Alex kommen. Und dann â¦Â«
»He«, meint Jannik, »du übertreibst! Solange sie das Ding nicht bei ihm finden, ist doch alles easy. Und genauso wenig können sie ihm das mit der Sirene beweisen! Nee, Alter, lass mal das Megafon schön bei uns in dem alten Schrottkühlschrank, da wird keiner danach suchen.«
»Hoffentlich«, sagt Lukas. »Sonst sind wir echt dran. Und das können wir uns nicht leisten! Jetzt erst recht nicht mehr, wo wir wissen, dass da irgendwas gewaltig zum Himmel stinkt.«
»Was wir irgendwie beweisen müssen«, sagt Jannik. »Womit wir wieder bei unserem Ausgangspunkt wären. Wie kommen wir an irgendwelche konkreten Informationen?«
Lukas steht auf und streckt sich. Dann klatscht er eine Mücke auf seinem Arm tot. Aber es ist zu spät, sie hat ihn schon gestochen. Ganz deutlich ist ein Blutfleck zu sehen. Lukas reibt ein bisschen Spucke auf den Stich.
»Ich brauche Zeit, um mir was zu überlegen«, sagt er dann. »Ich melde mich bei dir. Ich muss ja sowieso irgendwann noch mal vorbeikommen, um die Flaschen einzuwerfen.«
Nachdem sie vom Hochsitz hinuntergeklettert sind und ihre Fahrräder aus dem Gebüsch gezogen haben, sagt Lukas: »Wir sehen uns.«
»Das wird sich nicht vermeiden lassen«, sagt Jannik und grinst. Obwohl ihm nicht nach Grinsen zumute ist, das weià Lukas und ihm geht es genauso. Sie sind da in irgendetwas reingestolpert, womit sie nicht gerechnet haben. Und sie haben eindeutig ein Problem.
Sie klatschen die Hände zusammen und fahren in verschiedene Richtungen davon. Diesmal nimmt Jannik den Weg zwischen den Kuhweiden und Lukas die ForststraÃe.
Die Temperaturen scheinen noch weiter gestiegen zu sein. Nicht mal der Fahrtwind verschafft ein bisschen Abkühlung. Vielleicht hat Jannik ja doch recht, denkt Lukas. Vielleicht sollte er wirklich mit Hannah reden. Immer vorausgesetzt, dass sie auch mit ihm reden will. Was alles andere als sicher ist. Aber wenn, dann ist ihr Auftritt mit der Band heute Abend die beste Gelegenheit. Da kann es zumindest niemandem merkwürdig oder auffällig vorkommen, wenn er sie anspricht. Ist ja nur normal, wenn er zu ihrem Gig geht. So wie alle anderen wahrscheinlich auch. An einem Samstagabend in Wendburg, wo nichts weiter los ist, was man sonst unternehmen könnte.
Fünf
Die Band ist gut, verdammt gut sogar, was vor allem wieder mal an Hannah liegt. Seit Lukas sie das letzte Mal singen gehört hat, ist ihre Stimme noch tiefer geworden, kratziger, als würde sie Kette rauchen und schon vor dem Aufstehen den ersten Whiskey trinken. Eine echt geile Stimme, die gar nicht wirklich zu der schmächtigen Person passt, sodass sich jeder fragen muss, woher sie überhaupt die Kraft nimmt, so zu singen. Aber sie
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