Stoerfall in Reaktor 1
sieht, weià er, woher der Geruch kommt: Desinfektionswürfel!
»Nett hier«, sagt er und setzt sich.
Der Journalist hat ein halb volles Glas Guinness vor sich stehen. In einem geflochtenen Körbchen liegen noch ein paar Kartoffelstücke, die aussehen wie selbst gemachte Pommes.
»Bedien dich! Auch ein Guinness?«
»Nee, lieber nicht«, sagt Lukas. »Ich nehme â ne Cola, glaube ich.«
Berger winkt dem Wirt.
Aus dem Lautsprecher über der Theke dudelt leise Musik. Irgendein alter Song von U2. Das Didgeridoo von drauÃen macht es Bono schwer, seinen Text anzubringen: »Itâs a beautiful day â¦Â« Der Redakteur trommelt mit den Händen den Takt auf der Tischplatte. Er wirkt nervös, denkt Lukas. Mal sehen, was er zu erzählen hat, ich kann warten.
Nachdem der Wirt die Cola gebracht hat, sagt Berger unvermittelt: »Also, ich bin Gunnar, aber das weiÃt du ja schon. Lukas?«
Lukas nickt.
»Gut. Tut mir leid wegen vorhin, aber in der Redaktion ist gerade der Höllenstress. Du hast den Artikel gelesen?«
Lukas zeigt nur auf die Zeitung, die er vor sich auf den Tisch gelegt hat.
»Ist nicht mein Artikel. Klar, dass du sauer bist â ich binâs auch. Sie haben meinen Text in letzter Minute rausgekickt. Hat ihnen nicht gepasst. Nicht ausgewogen genug.«
»Und das geht einfach so?«, fragt Lukas jetzt doch nach.
»Das geht.« Gunnar nickt. »Und als ich mich geweigert habe, etwas Neues zu schreiben, hat der Chefredakteur auf die Schnelle selbst etwas verfasst. Das Ergebnis kennst du ja. Aber ich glaube, dass da ohnehin noch was anderes gelaufen ist. Irgendein Anruf von euch aus Wendburg. Da war jemand eindeutig besorgt, dass ich was Falsches schreiben könnte.«
»Der Bürgermeister«, platzt es aus Lukas heraus. »Sie waren nach der Demo bei ihm zu Hause und wollten irgendwelche Fragen stellen â¦Â«
»Gunnar«, unterbricht ihn der Redakteur. »Du kannst mich ruhig duzen.«
Lukas zuckt mit den Schultern, ohne auf das Angebot einzugehen.
»Ja, stimmt, ich war bei eurem Bürgermeister«, redet Gunnar weiter. »Ich sehe, du bist gut informiert.«
»Wendburg halt«, sagt Lukas. »Da spricht sich so was schnell rum. Auch, dass Sie nichts rausgekriegt haben.«
»War schon merkwürdig«, stimmt ihm Gunnar zu. »Normalerweise sind solche Typen nur zu gern bereit, jede Gelegenheit zu nutzen, um sich darzustellen. Aber in diesem Fall â¦Â« Er lässt das Ende des Satzes offen und nimmt einen Schluck Bier. Nachdem er sich den Schaum von den Lippen gewischt hat, fragt er: »Und du hast was für mich?«
Im selben Moment schiebt der Wirt eine neue CD in den Player und dreht die Lautstärke hoch. Offensichtlich hat er dem Didgeridoo-Spieler vor seiner Tür den Krieg erklärt. Lukas erkennt den Song sofort: Dirty old town von den Pogues. Als er noch bei Hannah in der Band war, haben sie sich mal an einer eigenen Version versucht, mehr so Bass-ânâ-Drum-mäÃig, immer voll auf die Eins, und mit einem deutschen Text: Schmutziges Kaff . »Ich traf sie oft, wo früher Frieden war, träumte einen Traum vom groÃen Fluss, ich küsste sie unterm Kühlturm da, schmutziges Kaff, schmutziges Kaff â¦Â« An die anderen Zeilen kann er sich nicht mehr erinnern, aber der Rest der Band wollte den Song sowieso nicht spielen, weil er ihnen zu sehr nach Rio Reiser klang, wie sie behauptet haben. Was Quatsch war. Nichts gegen Hannahs Texte, aber auf Deutsch irgendeinen Songtext zu schreiben, war nie so wirklich ihr Ding â¦
»Hallo?«, fragt Gunnar und wedelt mit der Hand vor Lukasâ Gesicht hin und her, wodurch der aus seiner Erinnerung gerissen wird. »Hast du meine Frage gehört?« Er muss fast brüllen, um die kaputte Stimme von Shane McGowan zu übertönen. »Ich dachte, du hättest was für mich und deshalb â¦Â«
»Und wenn?«, brüllt Lukas gegen die Musik an. »Würde das was bringen? Ich meine, es scheint ja nicht gerade so, als ob Sie da wirklich eine Möglichkeit hätten, bei Ihrer Zeitung irgendwas zu schreiben, was Ihrem Chefredakteur nicht passt, oder sehe ich das falsch?«
Gunnar beugt sich weit über den Tisch, um nicht ganz so schreien zu müssen. Lukas dreht unwillkürlich den Kopf zur Seite, als ihm die Bierfahne entgegenschlägt.
»Nicht für die Zeitung hier, das macht sowieso
Weitere Kostenlose Bücher