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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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Zweiter starten.
Drei Meter vor ihm klaffte der Außenpanzer auseinander. Das
sterndurchsiebte Loch weitete sich.
»Wie ist es draußen?« Das war Georges Stimme.
»Es ist überall dasselbe«, antwortete Monteverdi. »Sterne,
endlose Finsternis, genauso wie zu Hause.«
»Merkwürdig, was man sich einbildet«, erwiderte George.
»Selbst der Tod würde mir leichter, geschähe es in der Nähe
der Erde.« Er lachte leise auf. »Überflüssig, es zu bemerken,
aber wir sterben in der Fremde. Das ist furchtbar.«
»Was erzählst du da?« sagte Vanderboldt mit weicher,
dunkler Stimme. »Wir sind doch ganz in der Nähe. Wir können
dich und das Raumschiff sehen. Wir sind bei dir. Es gibt keine
Fremde ohne fremde Menschen. Du bist daheim.«
»Danke, Van«, sagte George.
Ein Lichtfunke schoß weg vom Raumschiff, glühte auf zum strahlenden Stern.
     
»George, George!« rief Drunen. »Kannst du mir verzeihen?
    Verzeih uns!«
»Wofür, mein Lieber! Es ist so schwer nicht zu sterben, wenn
man nichts mehr zu verlieren hat.«
Ein Stoß preßte Drunen in die Polster. Als er in den
Heckschirm sah, konnte er schon das gesamte Raumschiff in
seiner majestätischen Größe überblicken. Zweimal so lang
stand der gleißende Lichtstrahl der Bremsaggregate vor dem
Riesen. Er tauchte ein in den glimmenden Teilchenstrom. Eine
Aura umfloß den unverwundbaren Leib, ein läuterndes Feuer
schützte seine Unsterblichkeit. Als Nebel, als Regen, als
Schnee würde er niedersinken auf unberührte Meere und
Kontinente, auf fremde Berge und Niederungen.
In träger Überlegenheit wälzte sich ihm der Planet entgegen.
Grünbraun schimmerten Landmassen durch Wolkenfelder, die
im dunstigen Blau der Atmosphäre beherrschend waren. Da
glänzte die Oberfläche eines scheinbar uferlosen Ozeans.
Keinerlei Anzeichen einer Zivilisation meldeten die Geräte.
Auch ein Begleiter des Planeten ließ sich nicht ausmachen. In der Enge des Schirms drängten sich Vans und Montes
Profile.
»Alles in Ordnung?«
Drunen nickte.
»Wie geht’s Catlin?«
Er überprüfte die Temperatur. »Um zwei Zehntel gestiegen.« Der Arzt klappte mit den Lidern, hob besorgt die Brauen.
»Bring sie heil ‘runter. Alles andere ist ein Kinderspiel.« »Herrgott, ja«, sagte Drunen gereizt. »Ja, ja, ich bringe den
Schatz heil ‘runter! Verdammt noch einmal, es kribbelt mich in
den Fingern, das Ding da unter uns zu betreten, und du…« Rechtzeitig noch unterbrach er sich, als er merkte, daß das,
was er hatte sagen wollen, zynisch klingen mußte. Er wollte
nicht zynisch sein, sondern nur ehrlich. Er wollte zu seiner
Haltung stehen, denn noch zwang ihn nichts, sie zu korrigieren. Vanderboldts Blick forschte, er wich ihm aus. Von dem
Raumschiff war nirgends mehr eine Spur zu entdecken. George
hatte sich nicht noch einmal gemeldet. Mit trauervoller Erleichterung in der Stimme fuhr er fort: »Verstehst du, es ist doch das erste Mal, daß Menschen einen erdähnlichen Planeten finden! Ein Planet der Klasse Erde, ein Erdähnlicher, eine
zweite Erde.« Es kam wie ein Fieber über ihn.
»Der Garten Eden«, bemerkte Vanderboldt mit gezügeltem
Hohn. »Herzlichen Glückwunsch.« Seine Augen glitzerten.
»Was bist du doch für ein Narr.«
Drunen war froh, daß der Flug seine ganze Konzentration
verlangte. Der Autopilot hatte den Eintritt in die Atmosphäre
angekündigt. Er schaltete um auf Handsteuerung und
überprüfte die Flugparameter des zweiten Gleiters. Sie flogen
in einer Distanz von dreitausend Metern. Von
einhundertsiebzig Kilometern an verringerte sich der Abstand
zur Planetenoberfläche rapide.
Donnernd rasten die Maschinen über eine weite
Wasserfläche. Vor ihnen stieg ein Landmassiv auf, Berge,
Ebenen. Hier und da zeigten Rauchfahnen tätige Vulkane an.
Es herrschte Öde, Leere. Karge Anzeichen einer Vegetation
belebten das Bild kaum.
Sie befanden sich wieder im Wolkenbereich. Stellenweise riß
der Teppich auf und gab den Blick frei auf eine
staubfahnenübertoste Landschaft. Graubraune Eintönigkeit
nahm den Rest der Hoffnung.
Sturmböen rüttelten an der Maschine. Sie flogen direkt in
eine Unwetterfront. Ein Orkan allerdings, der eine Gefahr
darstellte, war undenkbar. Die Gleiter verfügten über
Schwerkraftgeneratoren, die einen Absturz unmöglich
machten. Doch es galt, Energie zu sparen.
Durch das Knistern atmosphärischer Entladungen hörte
Drunen Vanderboldts Stimme. Monteverdi beabsichtigte, dem
Zentrum des Wirbelsturms nach Süden auszuweichen. Über den Schirm zuckten farbige Blitze.

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