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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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auflösen, flossen aus Möbeln und Körpern farbige Schichten. Vor Laurenz 1 Auge vertiefte sich die Zentrale ins Unendliche, wurde zweidimensional flach. Die Blautöne verblaßten, und jede Kontur erstrahlte in rötlichgelbem Licht.
    Ewigkeiten lang bestand Gendries’ Gesicht aus Flammen. Das tiefe, schattige Rot seiner Silhouette schien Parcholds teuflische Metamorphose anzukündigen. Dauerte das Monate oder nur Sekunden?
    Ohne Übergang, ohne einen Rest von Schwäche oder Verwirrung zurückzulassen, hörten die Erscheinungen auf. Die Skalen zeigten Werte um Null Komma neun, neun, neun im Unterlichtbereich.
    Auf den Außenschirmen wurden Lichtflecke sichtbar, Sterne. Eine ferne gelblichweiße Sonne schwebte aus dem Sichtbereich.
    Gendries lächelte ihm zu. Ein heller Ton überwogte seine Gedanken. Sekunden nur trennten sie beide noch voneinander, Augenblicke.
    Die Alarmsirenen heulten. Unter den Schlägen des Geräuschs erbebte das Schiff. Ins Zentrum des Hauptschirms wälzte sich, zum Bersten aufgebläht, eine blaufleckige Kugel.
    Mit einer Geschwindigkeit von mehr als zweihunderttausend Kilometern in der Sekunde rasten sie auf ihr Grab zu. In die klingende Stimme des Steuerautomaten, der das Objekt als den vierten Planeten identifizierte, mischte sich Molms Schluchzen.

Der Cerpendeel-Effekt
    Mit der Lautlosigkeit der Vision vollzieht sich sein Flug über die Landschaft. Sein Blick geht abwärts, kreist um das Rund der Erde, fangt sich in Niederungen, aus deren Tiefe Dämpfe steigen. Chlorgas und gelblichbraune Nitrose, dazwischen, unsichtbar bleich, Ammoniak und Frigene.
    An gezähnten und zerfetzten Kanten, skeletthaften Klippen am Rande von Modermeeren, stürzt sein Blick ab. Das Auge fest hält, dicht bei einer dieser Küsten, eine Ansammlung von Formen, deren Herkunft von der Ersten Zivilisation nicht zu leugnen ist. Hier lebten einmal Menschen!
    Die ehemals rechten Winkel sind es nicht mehr, Strebpfeiler und Traversen ragen ohne Sinn. Wie aufgerissene Mäuler klaffen Risse. Vielleicht war das einmal eine Stadt. Neben dem Ruinenfeld ergießt sich ins Weltmeer ein gigantischer Strom. In Umkehrung alles Natürlichen müßte er jetzt den Namen Tarphue tragen.
    Das Meer in seiner Schwere ist glatt. Die sulphidischen Winde vermögen nicht, es zu kräuseln. Nicht mehr die mutigen Stürmetrotzer von eins sind die jetzigen Seeabenteurer. Doch wollen auch sie die Welt erkünden, mit einem anderen Mut und mit anderen Schiffen.
    Im Hafen der Stadt, die nur Menschen gespenstisch nennten, sammelt der Kühne die Flotte. Er wirbt Mannschaft. Das Kopfgeld zahlt er aus in Bleidukaten. Eine seiner Tentakeln schreibt ein, eine zahlt aus. Zuvor prüft eine weitere die Weichheit des Rekruten. Unterm Tisch hält eine vierte den Degen aus reinem Zinn, dessen Klinge schon manchen die Häupter vom Rumpf abtrennte.
    Einer der Köpfe des Kühnen verspricht den Zögernden Berge von Blei und Wolfram. Sein anderer beschwört die Mutlosen, Augias, die Bezeichnung stammt noch von den Göttern, sei rund. Jede andere Form als die der Kugel undenkbar. Es gälte, den Seeweg nach dem sagenhaften Lande Eilis zu entdecken, und zwar ostwärts, wo selbst das gemeine Volk aus bleiernen Karaffen reinste Schwefelsäure tränke. Wo man die Mahlzeiten mit Strontiumnitrat würze, von dem jedes Gran hierzulande mit tausend Jodkristallen aufgewogen wurde. Der Rand der Welt? Zürnend hebt das Monstrum alle sieben Arme. Nichts als der Glaube Schwacher! Und er stimmte das Lied von den Jauchemeeren an. Das Lied hatten die Götter ihnen zum Geschenk gemacht.
    So werden wir die Erde hinterlassen, dachte Cerpendeel. Er löste die verschränkten, tauben Finger voneinander. Es war an der Zeit, dem Alptraum zu entfliehen. Jetzt kam seine Stunde, vielmehr, sie endete und mündete in eine Hoffnung. In eine Hoffnung für die Menschheit!
    Scheinbar unterschied sich die Stimmung in nichts von der gewöhnlicher Kolloquien. Alle Delegierten hatten Platz genommen. Doch nicht wie sonst spürte Cerpendeel die Konzentration auf das Turnier, das leise Geklirr der Waffen in überlegenen Händen, den tastenden Blick zum Gegner, zu ihm.
    In verborgener, hemmungsloser Gier redete man aufeinander ein. Gleichsam mit Worten und Gebärden packten Nachbarn einander, wechselten, der Zustimmung überdrüssig, mitten im Gedanken, mitten im Wort, den Partner, um erneuter Übereinstimmung zu begegnen.
    Das Bild amüsierte Cerpendeel. Aber seine Befriedigung war unharmonisch. Es hätte ihn

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