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Stolen Mortality

Stolen Mortality

Titel: Stolen Mortality Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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offenbar genoss sie es für den Moment , in Ruhe gelassen zu werden. So wie er.
    Gedankenstarr blickte er aus dem Fenster und beobachtete den Tag, wie er sich oberhalb der Häuserdächer langsam über die Nacht hermachte, und nach einem kleinen Farbintermezzo am Himmel nichts von der Dunkelheit übrig ließ.
    Ein neuer Tag, der Wahrheiten ans Licht bringen würde, die Jamian nicht wissen wollte; so viel ließ die trügerische Schönheit des Sonnenaufgangs erahnen.
    Er zog ein paar Münzen aus der Hosentasche seiner klammen Jeans und ging zum Tresen. Die Frau sah von ihrer Zeitung auf und lächelte freundlich, als er ihr das Geld gab und gleichzeitig ihre Hand umfasste. Das Lächeln schwand, für einen Moment sah sie ihn schockiert an. In ihrer Brille spiegelten sich seine hellbraun glühenden Augen. Ehe sie nur Atem holen konnte, fielen ihre Lider zu, ihr Gesicht entspannte sich und sie sank auf die Tischplatte, wo sie wie eingeschlafen liegen blieb.
    Jamian setzte sich still auf einen Hocker und blieb neben der Bewusstlosen sitzen, als wären sie beide im Gespräch. Nach zehn Minuten rüttelte er sie leicht und schlug ihr vorsichtig gegen die blassen Wangen.
    „Miss? Miss, alles in Ordnung?“
    Verwirrt öffnete sie die Augen und blinzelte ihn an. „Was … was ist passiert?“
    „Sie sind ohnmächtig geworden“, imitierte Jamian verstörte Sorge. „Geht es Ihnen gut?“
    „Ja. Ich glaube schon.“ Sie schüttelte leicht den Kopf und griff sich dann an die Schläfe. „Ah – ich fürchte, es ist ein Migräneschub. Ich arbeite einfach zu viel.“
    „Vielleicht nehmen Sie sich heute mal frei. Gesundheit sollte vorgehen.“
    Sie lächelte gequält. „Nichts geht vor die Arbeit, junger Mann, das werden Sie noch verstehen lernen. Aber Sie haben recht , ich werde meine Aushilfe anrufen und mich mal ausschlafen. Ach, manchmal wird es einfach alles zu viel. Dann macht mein Körper schlapp.“
    „Das scheint in dieser Stadt vielen so zu gehen.“ War ja auch kein Wunder. Glen Mertha war klein und hatte direkt zwei hungrige Kienshi und ein knappes Dutzend Vampire zu versorgen. Ein Wunder war es eher, dass man den ganzen Ort noch nicht nach gesundheitsbeeinträchtigenden Einflüssen abgesucht hat. Nach Kryptonitansammlungen im Boden, durchdrehender Handystrahlung oder radioaktiver Verseuchung zum Beispiel.
    Er verabschiedete sich und verschwand wenig später im Wald, wo er sich schneller bewegen konnte, ohne dass es jemandem auffiel. Das Haus tat sich still vor ihm auf und strahlte von innen eine Einsamkeit aus, die ihn nicht lange verharren ließ. Er duschte hastig und zog sich frische Sachen an. Anschließend band er sich Laines Muschelband um den Hals, ehe er in den Wagen stieg, in dem ihr Duft nach Regen, Kirschkaugummi und Champagnershampoo ihre Anwesenheit vortäuschte, als säße sie noch auf dem Beifahrersitz. Jamian legte Marillion ein und sang sämtliche Songs mit, während er nach Inverness fuhr.
    Ein ehemaliger Schulfreund arbeitete dort am Flughafen. Jamian hatte Glück, ihn an einem Schalter zu entdecken und konnte ihm leicht ein paar Auskünfte entlocken. Er hatte jedoch niemanden gesehen, auf den Laines Beschreibung passte und auch die Passagierlisten gaben nichts her. Keine Nachrichten bedeuteten keine schlechten Nachrichten und bestätigten Jamians Gefühl, dass Laine noch in Schottland war.
    Irgendwo hatte sie sich vor dem Tag verborgen und es erfüllte ihn mit quälender Ungeduld, dass es vor dem Abend keinen Sinn machte, nach ihr zu suchen.
    Letztlich nervte ihn sein knurrender Magen und so setzte er sich in ein nettes, amerikanisch angehauchtes Straßencafé in der Mainstreet. Er bestellte einen Bagel mit Frischkäse und Nussnugatcreme - was den Kellner irritiert den Mund verziehen ließ -, verbot sich das Grübeln und genoss für eine Weile die wärmenden Strahlen der Vormittagssonne im Gesicht.

    *
    Laine dümpelte dahin.
    Das Delirium umspülte sie wie Wasser eine Moorleiche. Die meiste Zeit war sie in Schwärze getaucht. Eine weiche, einlullende Dunkelheit, die alles betäubte. Das prickelnde Brennen ihrer Selbstheilung riss sie immer wieder aus dem erbarmungsvollen Dämmern. Vor ihren Augen entstanden Bilder, die ihr zu absurd schienen, als dass sie ihr hätten Angst machen können.
    Sie musste träumen.
    Träumte von kribbelnden Stichen in ihrem Rücken. Und sie träumte von ihren Beinen. Sie konnte sie nicht spüren, als gehörten sie nicht zu ihrem Körper. Aber sie sah, dass sie

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