Stolz der Kriegerin
meisten jungen Damen, die sich hier eingefunden hatten, unbedeutenden Seitenzweigen der herrschenden Häuser. Nur eine Einzige war die Schwester einer regierenden Fürstin, und bei dieser handelte es sich um den blauen Fehlschlag in einer violetten Familie. Es war, als wollten die hohen Herrschaften zeigen, was sie von dem aus dem Nichts emporgekommenen König von Andhir und dessen Sohn hielten. Und doch musste sein Vater ihnen dankbar sein, dass sie überhaupt bereit waren, eine Verwandte für eine mögliche Verbindung zu opfern.
Obwohl Rogon sich über den Hochmut der blauen Herrscherfamilien ärgerte, wusste er ganz genau, dass auch das Angebot einer echten Königstochter nicht das Geringste an seiner Situation geändert hätte. Er hatte einfach keine Lust, den Rest seines Lebens mit einer Frau zu verbringen, von der er bereits am Morgen wusste, was sie am Abend sagen würde, und die sich zudem vor seinen Dämonenaugen fürchtete. Kein einziges der Mädchen hatte es bis jetzt gewagt, ihm länger als einen kurzen Moment ins Gesicht zu sehen. Selbst wenn er sie auf Seranahs Wunsch hin zum Tanz führte, starrten sie an seiner Schulter vorbei ins Leere.
»Ihre fürstliche Hoheit, Prinzessin Elessandrinah von Ilynevhor!« Die Oberpriesterin Seranah blieb unerbittlich. Wenn es Ilynas Wille war, dass dieser junge Mann einmal den Thron Andhirs einnehmen sollte, dann hatte dies zu ihren Bedingungen zu geschehen, und das hieß für ihn, eine Prinzessin zu erwählen, die mit der alten Dynastie von Andhir möglichst nahe verwandt war.
Für Rogon wurde der Empfang zur Qual. Sollte er für immer Seranahs Atem im Nacken spüren und tun müssen, was sie für richtig hielt? Es gelang ihm gerade noch, bei jeder der jungen Damen, die sie ihm vorstellte, ein »Angenehm!« zu lügen. In seinen Gedanken wünschte er sich weit fort in ein Land, in dem er selbst bestimmen konnte, was er tun oder lassen wollte.
Mehr denn je beneidete er Menschen wie Tirah, die sich nicht endlosen Zeremonien unterwerfen mussten und doch weitaus mehr geachtet wurden als der König eines kleinen Wardan-Landes. Sein Vater zählte ebenfalls zu jenen, die sich ihren Ruf selbst geschaffen hatten, und aus diesem Grund machten die blauen Reiche ihn zu ihrem obersten Feldherrn im Krieg.
Viel lieber, als hier das Opfer auf dem Altar der Machtgelüste einer Priesterin abzugeben, wäre Rogon an der Spitze der Wolfssöldner aufgebrochen, um die verlorenen Lande im Süden von der grünen Pest zu befreien. Doch das würde für immer ein Wunschtraum bleiben. Sein Leben bot nichts Aufregenderes mehr, als Prinzessinnen wie Elessandrinah zum Tanz zu führen.
In seine Gedanken verstrickt, bemerkte Rogon kaum mehr die Gäste, die ihm weiter vorgestellt wurden. Er machte jedoch seinen Diener und murmelte ein »Angenehm!«.
Innerlich aber sehnte er ein Ende dieses Trauerspiels herbei, doch das kam erst in Sicht, als die letzten Reisemarschälle, Matronen und jungen Damen vor der königlichen Familie erschienen waren.
Schließlich wurde Rogon von seinem Vater erlöst. »Du solltest dich ein wenig zurückziehen und ausruhen, mein Sohn, damit du heute Abend beim Tanz nicht zu erschöpft bist!«
In Wahrheit sorgte König Rogar sich, sein Sohn könnte, wenn er zu verärgert war, die Gäste mit absichtlich schlechtem Benehmen brüskieren. Doch für die Launen eines Jünglings war die Angelegenheit zu ernst. Jenseits des Großen Stromes vereinigte Revolh, der König von Orelat, die Nachbarländer unter seiner Herrschaft. Nun fürchteten die meisten der blauen, aber auch der violetten Wardan im nördlichen Teil der roten Seite, der Orelater, der zu den Anhängern des weißen Gottes Meandir gehörte, könnte seine gierigen Blicke schließlich nach Osten richten, um es den grünen Reichen tief im Süden nachzutun.
Ich muss mit Rogon sprechen, dachte der König, als sein Sohn sich mit einer knappen Verbeugung verabschiedete. Gerade in dieser Zeit war es wichtig, dass sich die Wardan einig waren. Nur die Angst vor den Reichen im Westen ermöglichte seinem Sohn eine Verbindung mit den ältesten und angesehensten Herrscherhäusern. Das war für einen Bonveral mehr, als er jemals zu hoffen gewagt hatte.
Eine Berührung am Arm ließ König Rogar aufschauen, und er sah den fragenden Blick seiner Frau auf sich gerichtet. »Ärgerst du dich über Rogon?«
Der König schüttelte mit einem unechten Lachen den Kopf. »Wie kommst du auf diesen Gedanken, Jannah? Ich bin im Gegenteil froh,
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