Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
noch deutlicher auf – besonders um Mund und Augen. Sein Haar war dunkler, und obwohl er nicht ganz so groß wie Jamie war, besaß er eine ähnliche Statur und dieselbe Aura königlicher Autorität. Doch was bei Jamie Selbstvertrauen war, wirkte bei seinem Bruder wie Arroganz.
Unbewusst ballte sie die Hände an den Seiten zu Fäusten und krampfte sie in den Wollstoff ihrer Röcke anstatt um den Dolch, nach dem ihre Finger sich sehnten. Noch nie hatte sie so sehr den Drang verspürt, jemanden zu töten. Colin Campbell hatte Glück, dass sie keine Waffe trug.
Obwohl er allem Anschein nach aussah, als wäre er erst kürzlich in einen Kampf verwickelt gewesen. Sein Gesicht und die Hände waren mit Dreck und Blut verschmiert. An seiner Stirn hatte er eine verkrustete Schnittwunde und eine
größere am rechten Handgelenk. Doch es waren seine Augen, wild vor Zorn, die ihr einen eiskalten Angstschauer über den Rücken jagten.
Die Vorsicht drängte sie, einen Schritt zurückzuweichen, aber sie zwang sich, sich nicht von ihm einschüchtern zu lassen. Das Wissen, dass sie die Ehefrau seines Bruders war und dass Jamie ihn töten würde, wenn er ihr etwas antat, verlieh ihr Mut.
Er suchte den Saal mit Blicken ab, dann fragte er ohne lange Vorrede: »Wo ist mein Bruder?«
Die flache Stimme hallte in ihrem Bewusstsein wider und setzte einen Schauer schrecklicher Erinnerungen frei, doch sie zwang sich, seinem Blick standzuhalten. Mit Genugtuung dachte sie an den Schlag, den sie ihm ins Gesicht versetzt hatte, und konnte sehen, dass er es ebenfalls nicht vergessen hatte.
»Wie Ihr sehen könnt, ist er nicht hier.«
Bei ihrem unverschämten Tonfall wurden seine Augen schmal. »Wann kommt er zurück?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wohin ist er gegangen?«
Caitrina fühlte etwas von ihrem alten Temperament in sich aufsteigen. Wie konnte er es wagen, derartig in ihr Heim zu platzen und sie zu verhören, als wäre sie einer seiner Lakaien? Wütend brauste sie auf. »Mein Ehemann hat mir die Einzelheiten seiner Reisepläne nicht anvertraut.«
Mit kaltem Blick musterte er sie. »Hütet Eure Zunge, Mädchen. Im Gegensatz zu meinem Bruder toleriere ich Respektlosigkeit von Frauen nicht. Nicht einmal, wenn sie zur Familie gehören.«
»Ihr seid nicht meine Familie«, zischte sie, obwohl ihr bewusst wurde, dass es die schreckliche Wahrheit war. Sein Lächeln machte sie nur noch wütender, und jedes Taktgefühl verließ sie. »Ich bin Herrin dieser Burg, und ich wäre Euch
dankbar, wenn Ihr das nicht vergesst. Schätzt Euch glücklich, dass ich Euch nicht hinauswerfen lasse, nach allem, was Ihr getan habt.«
Wenn er irgendwelche Schuldgefühle hatte, dann ließ er es sich nicht anmerken, doch er mäßigte seinen Ton. »Euer Vater beherbergte Gesetzlose. Er wusste um die Konsequenzen seines Handelns.« Dann verstummte er und musterte sie mit nachdenklichem Blick. »Aber mir war nicht bewusst, was Ihr meinem Bruder bedeutet.«
Dieses Zugeständnis überraschte sie. »Hätte das denn einen Unterschied gemacht?«
Gleichgültig zuckte er die Schultern. »Ich weiß es nicht. Was geschehen ist, ist geschehen. Ich kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen.«
Und so sehr sie es sich auch wünschte, sie konnte es ebenfalls nicht. Wenn sie und Jamie eine gemeinsame Zukunft haben wollten, dann musste sie irgendwie einen Weg finden, mit diesem Mann leben zu können. Obwohl sie hoffte, dass sie seine Gesellschaft nicht lange würde ertragen müssen. »Warum seid Ihr hier? Was wollt Ihr?«
Zuerst dachte sie nicht, dass er die Absicht hatte, ihr zu antworten, doch nach wenigen Augenblicken erklärte er: »Meine Männer und ich wurden letzte Nacht angegriffen, als wir nach Dunoon ritten. Wenn nicht einige der Männer meines Cousins zufällig hinzugekommen wären, hätte man uns überwältigt.«
Caitrina konnte das Gefühl der Enttäuschung nicht unterdrücken, das sie erfüllte. Sie würde Colin Campbells Tod nicht bedauern. Doch schnell verwandelte sich die Enttäuschung in Sorge, als ihr klar wurde, welche Bedeutung der Zeitpunkt des Angriffs hatte. »Was hat das mit Jamie zu tun?«
»Ich habe Grund zu der Vermutung, dass er vielleicht weiß, wer die Männer waren, die mich angriffen.«
Das Blut gefror ihr in den Adern zu Eis, doch sie ließ sich nicht anmerken, welche Wirkung seine Worte auf sie hatten. »Warum denkt Ihr das?«
»Weil wir einigen der Gesetzlosen nach Bute gefolgt sind.«
Es schien, dass sich ihre Ängste
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