Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
bestätigten: Niall musste dafür verantwortlich sein. Sie wagte es nicht, die Frage zu stellen, deren Antwort sie am dringendsten wissen musste: wie viele Tote es unter den Angreifern gegeben hatte.
»Und warum sollte mein Ehemann darüber Bescheid wissen?«
»Bute ist sein verdammter Verantwortungsbereich. Er wurde damit beauftragt, die Insel von Gesetzlosen zu säubern, und wenn er damit überfordert ist, dann werde ich das verdammt noch mal für ihn übernehmen!«
Gütiger Gott, nein!
»Ich bin sicher, Ihr irrt Euch«, sagte sie ruhig, wobei sie versuchte, ihre aufsteigende Panik niederzukämpfen. »Es gibt keine Gesetzlosen auf Bute.«
»Ach wirklich?«
Seine Stimme verursachte ihr vor Beunruhigung eine Gänsehaut. »Natürlich; das ist die Wahrheit.«
»Das ist eigenartig, da ich doch schwören konnte, dass ich in einem der Männer Euren Bruder wiedererkannte. Euren Bruder, der angeblich tot sein sollte.«
Sie erstarrte und bemühte sich krampfhaft, ihre Reaktion unter Kontrolle zu halten, obwohl jede Faser ihres Körpers vor Panik erzittern wollte. »Meine Brüder sind tot«, sagte sie ausdruckslos. »Ihr solltet das wissen, schließlich seid Ihr derjenige, der sie getötet hat.«
Er presste die Lippen zu einer harten, schmalen Linie zusammen, und seine Augen glühten erwartungsvoll. »Ich fürchte, nicht gründlich genug, Schwester . Aber das ist ein Fehler, den ich bald zu korrigieren gedenke.«
Zu aufgewühlt, um noch länger die Fassung zu bewahren, ließ Caitrina Colin im Saal stehen und zog sich auf ihr Zimmer zurück, um auf Jamies Rückkehr zu warten. Sie vermutete, dass Colin seine Männer darauf vorbereitete, die Hügel und Höhlen abzusuchen, und sie betete, dass Jamie rechtzeitig vorher zurückkam. Wenn Colin sie vor ihm fand, dann hätten ihre Brüder und die Männer ihres Vaters keine Chance.
Was für eine verfahrene Sache. Sie hätte Jamie vertrauen sollen. Dann hätte das hier vielleicht verhindert werden können. Ob gerechtfertigt oder nicht, Niall hatte versucht, einen der mächtigsten Männer in den Highlands zu ermorden. Nach dem, was Colin ihrer Familie angetan hatte, konnte sie ihrem Bruder keinen Vorwurf machen, aber sie fragte sich, ob noch etwas anderes diesen plötzlichen Angriff provoziert hatte. Etwas, das mit dem fremden Mann zusammenhing, den Mor erwähnt hatte. Doch nichts davon war wirklich von Bedeutung – Niall würde sterben, wenn Auchinbreck ihn fand, ganz gleich, was der Grund für den Angriff gewesen war.
Zur Mittagsstunde wurden ihre Gebete erhört. Als der Ruf ertönte, eilte sie gerade im richtigen Augenblick zum Fenster ihrer Kammer, um Jamie durch das Tor in den barmkin reiten zu sehen. Da sie eine weitere Begegnung mit Colin vermeiden wollte, wartete sie – ungeduldig – darauf, dass er zu ihr kam.
Die Minuten zogen sich quälend langsam dahin. Schließlich, etwa eine halbe Stunde später, hörte sie die schweren Schritte die Treppe heraufkommen und den Gang durchqueren. Einen Augenblick später öffnete sich die Tür.
Obwohl das Feuer im Kamin niedergebrannt war, heizte seine Gegenwart den Raum auf. Sie konnte regelrecht fühlen, wie Wut von ihm ausstrahlte. Nervös flog ihr Blick zu seinem Gesicht.
Er hatte den Mund zu einer harten Linie zusammengepresst, und in seinen Zügen zeigten sich die Spuren der Reise. Sie fragte sich, ob er überhaupt mehr als nur ein paar Stunden geschlafen hatte, seit er aufgebrochen war. Seine Lippen waren rau und rissig von der Kälte, und tiefe Linien hatten sich um die Augen eingegraben, als hätte er lange angestrengt durch den eisigen Regen geblinzelt. Er war bis auf die Haut durchnässt und sah aus, als habe er sich tagelang durch schlechtes Wetter gequält – was er vermutlich auch getan hatte.
Sie wollte zu ihm eilen, doch der abweisende Ausdruck auf seinem Gesicht hielt sie zurück. »Jamie, ich …«
»Du weißt, was geschehen ist.« Seine Stimme war hart und ausdruckslos.
Gott, noch nie hatte er sie so kalt angesehen. In dem Moment wurde ihr klar, dass er wusste, dass sie ihn angelogen hatte. Angst durchzuckte sie. Er würde es doch sicher verstehen, oder nicht? Sie hatte sich in einer unmöglichen Situation befunden, hin- und hergerissen zwischen zwei Loyalitäten.
Und du hast dich nicht für ihn entschieden , rief ihr eine Stimme in ihrem Kopf in Erinnerung.
Sie hatte ihn immer für furchteinflößend gehalten, doch noch nie hatte er so unerreichbar gewirkt. Nie war er so distanziert
Weitere Kostenlose Bücher