Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
übersehen können, was um sie herum vorging? Ihr Vater wollte nicht, dass sie es bemerkte, aber das war keine Entschuldigung. »Ist es denn wirklich so schlimm, Vater?«
Er zog sie an sich und strich ihr beruhigend übers Haar. »Ach, Mädchen, da gibt es nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest. Ich würde dich niemals zwingen, einen Campbell zu heiraten, aber ich möchte, dass du ihn wenigstens in Betracht ziehst. Bilde dir dein eigenes Urteil über den Mann.«
»Aber …«
Er erstickte ihren Protest. »Das ist alles, worum ich dich bitte. Jamie Campbell ist ein erbitterter Krieger und ein harter Mann, aber er ist nicht grausam. Trotz allem, was du vielleicht gehört hast, ist er kein Ungeheuer. Auch wenn es uns vielleicht nicht gefällt, handelt er nach dem Gesetz. Ich kann keine Sympathie für den Mann aufbringen, aber er hat sich in unseren Angelegenheiten stets fair verhalten.« Sein Blick wurde weich. »Er ist nicht der Mann, den ich für dich ausgewählt hätte, aber es würde unserem Clan sehr zugute kommen. Als seine Ehefrau könnte dir nichts jemals etwas anhaben.
Und da gibt es Dinge …« Er unterbrach sich und seufzte, das tiefe Geräusch eines Mannes, der die schwere Last der Verantwortung zu tragen hatte. »Es kommt vielleicht eine Zeit, in der wir seine Freundschaft brauchen werden.«
Pflicht. Sie hörte die unausgesprochene Ermahnung, und es fühlte sich an wie Verrat. Warum tat ihr Vater das? Er hasste die Campbells doch ebenso wie sie. Warum hatte sie das Gefühl, dass er ihr etwas verschwieg … etwas Wichtiges?
»Es ist an der Zeit, dass du heiratest, Caitrina. Und wenn keinen Campbell, dann jemand anderes.«
Er meinte es ernst. Caitrina verspürte einen heftigen Anflug von Panik, verloren in der Unsicherheit einer Zukunft, in die sie gerade hineingeworfen worden war. In der ihr alles genommen werden würde, das sie kannte und liebte. Sie erinnerte sich an die schreckliche Leere, als ihre Mutter gestorben war, aber da hatte sie ihren Vater und ihre Brüder gehabt, um das Gefühl des Verlustes zu lindern. Ohne sie …
»Ich weiß, dass du das glaubst, Vater, aber ich bin noch nicht bereit dazu. Ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen, dich und meine Brüder zu verlassen.« Das Leben auf Ascog mit ihrer Familie war alles, was sie kannte. Es wäre so, als risse man ihr das Herz entzwei, wenn man sie zwingen würde, sie zu verlassen.
Er nahm sie wieder in die Arme, und einen Augenblick lang glaubte sie, er würde nachgeben. Aber wie es schien war ihre Zeit abgelaufen.
»Und es wird mich sehr schmerzen, dich gehen zu lassen, mein Liebes. Aber gehen musst du.«
Mit tränenüberströmtem Gesicht nickte Caitrina. Der Schmerz in ihrem Herzen war unerträglich.
Sie wünschte, sie wäre Jamie Campbell nie begegnet. Das war alles seine Schuld.
6
W ie sehr Caitrina auch schmeichelte und bettelte, ihr Vater ließ sich nicht umstimmen. Das Wissen, dass sie bald heiraten musste, hing wie ein Damoklesschwert über ihrem Haupt. Es trübte ihre Freude an den nächsten paar Tagen und zwang sie, jeden potenziellen Verehrer mit, wenn schon nicht gerade wohlwollenden, dann doch zumindest auch nicht gerade ablehnenden Augen zu betrachten. Es zwang sie auch dazu, sich einzugestehen, dass Jamie Campbells selbstbewusste Autorität sich von den öden, schmeichelnden Aufmerksamkeiten der anderen Männer abhob. Er hob sich ab. Nicht nur aufgrund seines attraktiven Gesichts und des beeindruckenden Körperbaus, sondern wegen der Aura von Macht und Autorität, die ihn umgab. Doch ob beabsichtigt oder nicht, sie bemerkte ebenfalls, dass diese Ausstrahlung ihn zu den anderen auf Distanz hielt. Er war einer von ihnen, stand jedoch abseits.
Warum es sie störte, dass er alleine war, wusste sie nicht. Nur, dass es so war.
Sosehr sie ihn auch ignorieren wollte, ihn hassen wollte, zog irgendetwas an dem Mann sie an. Während der ganzen Woche ertappte sie sich dabei, dass sie ihn und seinen Umgang mit den anderen Highlandern beobachtete. Die meiste Zeit blieb er für sich oder bei seiner Handvoll Wachmänner, die mit ihm gekommen waren, obwohl sie gelegentlich sah, dass er sich mit den verschiedenen Chiefs unterhielt. Sie vermutete, dass das nicht weiter verwunderlich war. Als rechte Hand seines Cousins hatte er mit den meisten Männern der Führungsschicht der Highlands zu tun. Aber die Wachmänner und Clansleute von niedererem Rang neigten dazu, ihm
aus dem Weg zu gehen und ihn mit einer Mischung aus
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