Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
sie hervor. Das hoffe ich zumindest.
Ein weiteres Klopfen an der Tür, diesmal beharrlicher.
»Ich wünschte, deine Mutter wäre hier, um es dir zu erklären«, sagte Mor. »Aber da sie es nicht ist, musst du mit der verblassten Erinnerung einer alten Frau vorliebnehmen. Es ist schon lange her, dass ich eine Braut war – oder eine Ehefrau, was das betrifft. Weißt du, wie es vor sich gehen wird?«
Caitrina biss sich errötend auf die Lippe. »Ja.« Sie war mit
Tieren aufgewachsen. Und alle verbleibende Unwissenheit war vor Jahren ausgemerzt worden, als sie eine der Küchenmägde im Stall mit einem der Wachmänner ihres Vaters entdeckt hatte. Das heftige Stoßen und Stöhnen hatte wenig der Fantasie überlassen. Es war ihr so … geräuschvoll vorgekommen.
Und dann war da noch der Soldat. Ein bitterer Geschmack stieg ihr in die Kehle, als sie daran dachte, wie er ihr die Beine gespreizt und an seiner Hose hantiert hatte, und ein eisiger Angstschauer lief ihr über den Rücken, bevor sie die Bilder schnell wieder verdrängte.
Gütiger Gott, ich glaube nicht, dass ich das tun kann.
Mor drückte sie noch einmal, dann ließ sie ihre Schultern los und ging zur Tür, um ihren Ehemann hereinzulassen.
Caitrina hielt den Atem an. Seine schiere Körperlichkeit wirkte noch einschüchternder als gewöhnlich, als seine große, breitschultrige Gestalt den Türrahmen ausfüllte.
Er ignorierte das unfreundliche Stirnrunzeln der Dienerin, sondern starrte Caitrina an und ließ den Blick über ihren Körper wandern. Obwohl ihr Umhang dick und aus schwerer Wolle war, fühlte sie sich, als könne er geradewegs durch ihn hindurchsehen. Und auch wenn sie weit weniger getragen hatte, als sie sich das erste Mal begegnet waren, war sie sich überdeutlich der plötzlichen aufgeladenen Spannung zwischen ihnen bewusst, ganz zu schweigen von ihrer veränderten Situation.
Sie war nun keine Fremde mehr, sondern seine Frau. Sie gehörte ihm. Er konnte mit ihr tun, was er wollte, und niemand konnte ihn daran hindern.
Außer Mor.
Ihre alte Amme baute sich direkt vor seinen Zehenspitzen auf und hinderte ihn daran, den Raum zu betreten. Da ihr ergrauter Kopf ihm kaum bis zur Mitte seiner Brust reichte, stellte sie schwerlich eine Bedrohung für ihn dar, doch von so
etwas Unbedeutendem wie Körpergröße ließ Mor sich nicht aufhalten.
»Es ist mir gleich, wer Ihr seid oder welchen Ruf Ihr habt. Wenn Ihr ihr auch nur in irgendeiner Weise weh tut, bekommt Ihr es mit mir zu tun.« Mor schenkte ihm ein trügerisch liebenswürdiges Lächeln. »Habe ich je erwähnt, dass ich einen sehr umfangreichen Kräutergarten habe?«
Caitrina schnappte heftig nach Luft. Hatte ihre liebe Amme gerade damit gedroht, ihn zu vergiften?
Jamie schien die Drohung ernst zu nehmen, denn er musterte die alte Frau sorgfältig. Sie starrten sich einen langen Augenblick lang an, keiner von beiden gab auch nur einen Zollbreit nach. Schließlich nickte er. »Ich werde es mir merken. Aber Eure Sorge ist unbegründet. Ich bin kein unerfahrener Bursche; ich werde auf die Unschuld des Mädchens Rücksicht nehmen.«
Unschuld . War sie noch unschuldig? Würde er wütend sein, wenn sie es nicht mehr war? Ihr Herz klopfte schneller.
»Stellt besser sicher, dass Ihr das tut.« Mor trat einen Schritt zurück und ließ ihn eintreten. An der Tür drehte sie sich noch einmal zu Caitrina um. »Wenn du mich brauchst, musst du nur nach mir rufen.«
Bevor Caitrina antworten konnte, fiel Jamie ihr mit wachsendem Ärger ins Wort. »Zum Teufel, Weib! Ich sagte Euch gerade, dass sie Euch nicht brauchen wird.«
Trotz Jamies Wutausbruch schien Mor immer noch zu zögern. Da sie nicht wollte, dass die Situation zwischen den beiden sich noch mehr verschlechterte, drängte Caitrina ihre alte Amme mit den Blicken zu gehen. »Ich komme schon zurecht, Mor«, versicherte sie ihr, »wir sehen uns morgen früh.«
»Wenn ich nach Euch rufen lasse«, fügte Jamie scharf hinzu.
Mor warf ihm noch einen letzten sengenden Blick zu, dann schloss sie die Tür hinter sich mit einem lauten Knall, der wie eine Alarmglocke hallte.
Caitrina war mit ihrem Ehemann allein.
Die Luft, die sich vor wenigen Augenblicken noch kühl angefühlt hatte, wirkte nun warm und drückend. Das Zimmer, das geräumig und karg gewirkt hatte, erschien ihr nun klein und beengt – ohne Möglichkeit zur Flucht.
Vielleicht spürte Jamie ihr Unbehagen, denn er trat an den Tisch neben dem Kamin und schenkte zwei Gläser Wein ein aus
Weitere Kostenlose Bücher