Stolz und Verfuehrung
Rätsel präsentieren.«
Nachdenklich schaute sie ihn an, als er sich umdrehte und sie in die Arme zog. Unwillkürlich hob sie die eigenen Arme, ließ ihn ihre rechte Hand ergreifen und legte die linke auf seine Schulter. Und schon wirbelte sie herum - während sie immer noch grübelte, was seine letzte Bemerkung zu bedeuten hatte. »Ich bin kein Rätsel. Und ein widersprüchliches schon gar nicht.«
»Oh doch, das sind Sie. Eine junge Lady, die sich als Gastwirtin niederlässt, aber doch durch und durch eine junge Lady bleibt und ihre gesamte Familie mit in die Scharade hineinzieht. Warum? Das ist es, was jedermann hier wissen will.«
»Aber ... ich dachte, alle im Dorf würden annehmen, dass wir zum verarmten Landadel gehören. Das ist jedenfalls die Wahrheit.«
Jonas schenkte ihr ein spöttisch-enttäuschtes Lächeln. »Meine liebe Em, gestatten Sie mir, Sie darüber zu unterrichten, dass »verarmter Landadel weder ein seidenes Abendkleid besitzt noch perlenbesetzte Kämme im Haar trägt«, er blickte vielsagend auf den Kamm, der ihre wilden Locken zu bändigen versuchte, »noch heuert er Lehrer an, die die Söhne der Familie auf das Pembroke College vorbereiten sollen.«
Seine dunkelbraunen Augen hielten ihren Blick fest. Em schaute ihn an, wunderte sich aufs Neue. Dass Pommeroy Fortemain ihre Nerven zum Flattern gebracht hatte, war eine klare Warnung gewesen; bei Jonas flatterten sie sogar noch mehr, allerdings auf genau gegenteilige Weise.
Und, verflixt noch mal, die Anziehung zwischen ihnen war nicht länger rein körperlich bedingt. Denn unter der unbestreitbar glänzenden Oberfläche verbarg sich ein überaus bodenständiger Jonas Tallent. Irgendetwas, was sie auf eine Weise anzog, die sie beinahe ängstigte.
Em spürte es wie ein körperliches Ziehen, wie einen wachsenden Drang, sich ihm anzuvertrauen, ihn in ihren großen Plan einzuweihen und sich helfen zu lassen. Wenn dieser Drang aus der Not erwachsen wäre, hätte sie ihm vielleicht längst alles erklärt und ihn um Hilfe gebeten. Gleichwohl war sie überzeugt, dass sie den Schatz auch auf eigene Faust finden würde, obwohl er sicherlich helfen konnte. Nein, sie musste sich ihm nicht anvertrauen, um den Schatz zu finden. Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt.
Es gab einen anderen Grund, weshalb sie es ihm sagen wollte, einen anderen Grund, der den Drang nährte. Und dieser Grund hatte mehr damit zu tun, dass sie ihr Geheimnis teilen und ihm anvertrauen wollte, wer sie wirklich war, sodass sie zusammen auf Schatzsuche gehen konnten. Zweifellos würde die Entdeckung des Familienschatzes zu den größten Ereignissen ihres Lebens gehören - und aus diesem Grund, den sie nicht ganz klar benennen konnte, wollte sie das Abenteuer mit ihm gemeinsam erleben.
Seit mehr als einem Jahrzehnt war sie allein gewesen, hatte die ganze Zeit über die Sorge für ihre Geschwister getragen. Ganz allein. Nur sie. Es erschütterte sie zutiefst, dass sie plötzlich den Drang verspürte, jemand anderen einzuschließen.
Es brachte sie vollkommen durcheinander. Mehr als alles andere.
Em war sich nicht sicher, ob sie noch einen klaren Gedanken fassen konnte, wenn sie sich in Jonas Tallents Armen befand.
Mit Sicherheit nicht, wenn sie mit ihm Walzer tanzte.
Vor allem nicht, wenn sein dunkler Blick wärmer wurde, sie noch mehr in den Bann schlug; wenn er sie noch enger zu sich heranzog, seine starke Hand durch die Seide ihres Kleides förmlich auf ihrem Rücken zu brennen schien.
Wieder schwebte sie über das Parkett, schien mit den Füßen kaum den Boden zu berühren, und in diesem verrückten Zustand konnte sie fühlen ... spüren ... konnte beinahe glauben, dass ...
Die Musik war zu Ende. Langsam drehte er sie herum, bis sie stehen blieben und sie wieder auf dem Boden der Tatsachen landete.
Auf dem Boden der Tatsache, dass er ihr Dienstherr war und sie die Wirtin seines Gasthauses.
Er mochte sich über ihre Maskerade lustig machen; doch indem sie die Stelle als Gastwirtin angenommen hatte, war sie vom Podest der wohlgeborenen Lady herabgestiegen; eine Tatsache, die selbst er nicht leugnen konnte. Em konnte nicht glauben - es wäre dumm, es zu tun -, dass er mit ihr irgendetwas anderes als eine Affäre im Sinn hatte.
Sie wandte sich um und ließ den Blick durch den Saal schweifen. Um seinem Blick zu entgehen. Einem Blick, der den Dingen ihrer Meinung nach viel zu oft viel zu tief auf den Grund sah.
Er ließ ihre Hand nicht los, sondern schloss die Finger noch
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