Stolz und Verfuehrung
stattdessen darauf, seine Hände stillzuhalten, während er ihre herrlichen Lippen kostete, die honigsüße Köstlichkeit ihres Mundes. Er tauchte in sie ein, seine Sinne wurden überschwemmt, er nahm seinen Teil - wenigstens für den Moment.
Er musste den Kuss beenden, musste den Kopf heben und sie zu Boden lassen, sie loslassen. Er zwang sich dazu und fing sogleich ihren flatternden, verwirrten Blick auf. Er lächelte sie an - mit genau dem richtigen Maß an verführerischem Spott. Mehr durfte er sie nicht sehen lassen. Keinesfalls durfte er ihr zeigen, wie sehr er sie wollte und was er von ihr wollte - noch nicht. Später ja, aber jetzt nicht.
Er wollte sie jetzt nicht ängstigen oder gar verschrecken.
Sie sollte neugierig sein, verlockt, in Versuchung geführt.
Verführt.
Nach mehr verlangen.
Ems strahlender Blick wurde wieder klar, suchte in seinem Gesicht. Und in ihren Augen formte sich eine Frage.
Sie teilte die Lippen ...
Bevor sie ein Wort sagen konnte, tippte er ihr mit dem Finger auf die Nasenspitze. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Nachmittag, mein Spatz. Wir sehen uns später.«
Jonas nickte - genauso übermütig, wie Henry vorher genickt hatte - umrundete den Zweispänner und stieg ein. Mit einem letzten Gruß trieb er die Grauen an und lenkte sie vom Hof.
Wieder einmal blieb Em mit bebenden Lippen zurück. Sie hatte ihren Blick immer noch auf seinen Rücken geheftet. »Spatz?«
Zugegeben, sie war in Braun gekleidet.
Em blickte ihm aus schmalen Augen nach und verwünschte lautlos die Colyton-Seele in ihrem Innern, die viel zu versessen auf seine Küsse war. Eigentlich sollte sie ihm widerstehen, sollte sich verweigern, obwohl es doch unendlich viel interessanter war, das nicht zu tun. Viel erregender, aufregender. Und trotz allem fühlte sie sich sicher, selbst dann, wenn er sie in seinen Armen gefangen hielt.
Ein Rätsel.
Sie wusste immer noch nicht, wie sie mit ihrer gegenseitigen Anziehung umgehen sollte. Bei jedem anderen Mann hätten ihre Instinkte sie sofort zum Handeln gezwungen, hätten sie gezwungen, sich den Kerl vom Leib zu halten. Aber bei ihm taten sie es einfach nicht. Sondern blieben ruhig und unaufgeregt. Nahmen es hin. Noch ein Rätsel.
Em starrte seinem Zweispänner nach, bis er auf die Straße gebogen und aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Kopfschüttelnd eilte sie ins Gasthaus.
Er hätte mit diesen schrecklichen Zwillingen niemals über die Sehenswürdigkeiten in der Gegend sprechen dürfen. Zu spät bemerkte Jonas seinen Irrtum.
Zu spät erkannte er, wie meisterlich das Paar die Kunst beherrschte, seine Jagdbeute praktisch zu Tode zu hetzen.
An jenem Abend erwischten sie ihn im Gasthaus. Kaum hatte er Platz genommen und das übliche Glas Ale vor sich auf dem Tisch, tauchten die beiden auf und schmeichelten sich bei ihm ein, damit er ihnen am nächsten Tag eine der erwähnten Sehenswürdigkeiten zeigen würde.
Jonas lächelte und versuchte, sie abzulenken ... versuchte anschließend, sie zu verwirren, zu überwältigen, zu vertrösten, nicht ernst zu nehmen. Nichts funktionierte.
Schließlich erklärte er sich einverstanden, sie am kommenden Nachmittag auf einen Streifzug zu einer nahe gelegenen Sehenswürdigkeit mitzunehmen, nur damit sie endlich Ruhe gaben.
Damit er sich zurücklehnen, an seinem Glas nippen und ihre große Schwester durch das Gasthaus flitzen sehen konnte, wie sie es jeden Abend machte. Damit er sie dabei beobachten konnte, wie sie die Gäste begrüßte und anlächelte, wie sie innehielt und mit den Frauen plauderte. Viele Gäste sahen sich nach ihr um, sogar die Männer, obwohl sie meistens nur nickten und sich wieder um ihr Ale kümmerten.
Genau wie Jonas es tat, und zwar mit einem Gefühl tiefen Friedens, wie er es noch nie zuvor erlebt hatte. Doch er hatte sich sehr schnell daran gewöhnt.
Pflichtbewusst erschien er am nächsten Nachmittag an der Hintertür des Gasthauses. Während seine Neffen solche Verabredungen in den Aufregungen ihres unschuldigen jungen Lebens üblicherweise vergaßen, hatte er inzwischen akzeptiert, dass die Zwillinge ungeduldig auf ihn warten würden.
Und genauso war es auch. Em stand im Flur hinter ihnen. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war ihr nicht klar, ob sie die Ansprüche ihrer Schwestern abwehren und ihn vor dem drohenden Unheil in Sicherheit bringen sollte - oder ob sie sich darüber amüsieren sollte, dass die zwei schrecklichen Mädchen ihn zu ihrem Sklaven machen würden.
Schließlich
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