Stolz und Verfuehrung
misstrauisch: »Was für eine Belohnung?«
Jonas schlang den Arm um sie und zog sie zu sich heran, brachte sie vollkommen durcheinander, bevor er den Kopf senkte und seine Lippen auf ihre presste. Zuerst öffnete er mit der Zunge spielerisch ihre Lippen, tauchte dann in ihren Mund und schmeckte sie.
Spöttisch, verführerisch.
Em erwiderte seinen Kuss. Ihre guten Absichten hatten sich längst verflüchtigt, und wie aus weiter Ferne dämmerte es ihr, dass sein großes Pferd zwischen ihnen und dem Haus stand, ein wirkungsvoller Schutzschild, falls jemand hinausblicken sollte. Vielleicht konnte jemand ihre Beine sehen, die verdächtig nah beieinanderstanden; aber niemand konnte sehen, wie er den Kopf neigte und sie noch leidenschaftlicher küsste. Dann ließ sie die Arme nach oben gleiten, schlang sie um seinen Nacken und streckte sich.
Um ihn besser küssen zu können. Um besser in dem süßen Austausch schwelgen zu können. Um zu geben, um zu empfangen, um den Augenblick in all seinem schlichten, aber doch aufregenden, in seinem unerlaubten, aber doch erregenden Vergnügen auszukosten.
Es ist nur ein Kuss, beschwor sie sich selbst. Ein Kuss, mehr nicht. Aber es dauerte nur wenige Sekunden, bis ein Spiel daraus geworden war, ein Kampf um das Geben und das Nehmen, obwohl es ständig wechselte und nicht klar zu erkennen war, wer gab und wer nahm.
Was besser war, wer was bevorzugte, welcher Kurs am meisten Vergnügen verhieß, all diese Überlegungen wirbelten ihr durch den Kopf, als er den Kuss zu ihrer Missbilligung beendete.
Jonas löste sich von ihr, schaute in ihr Gesicht, beobachtete, wie sie die Augen aufschlug und las in ihnen, dass sie noch vollkommen abwesend war.
Es gelang ihm nur mühsam, seinen Triumph zu verbergen.
Er achtete nicht auf das Drängen seiner niederen Instinkte, sondern zwang sich, den Griff um sie zu lockern. Nachdem er sich versichert hatte, dass sie wieder fest auf beiden Beinen stand, ließ er sie los und trat zurück.
Er grüßte zum Abschied und konnte sich das Lächeln auf den Lippen nicht verkneifen, als er murmelte: »Bis zum nächsten Mal.«
Wenn er wieder eine gute Tat für sie vollbrachte, oder wenn sie ihn dafür belohnte - oder womöglich, wenn er sie das nächste Mal allein antraf?
Aus seinem Blick konnte sie nicht schließen, was er meinte.
Jonas wusste es selbst nicht so genau, daher zerrte er an Jupiters Zügel, schwang sich dann in den Sattel und ritt nach Hause.
Em blieb auf dem Hof zurück und sah ihm verwundert nach.
10
Später an jenem Nachmittag kehrte Jonas mit Henry nach einer Fahrt über die Straßen in der näheren Umgebung zum Gasthaus zurück. Die Zügel fest in den Händen, lenkte Henry den Zweispänner gemächlich in den Hof hinter dem Haus und überraschte Em, die gerade aus dem Küchengarten kam. Erschrocken hielt sie mitten auf dem gepflasterten Platz inne.
»Fahr um sie herum«, schlug Jonas vor.
Sorgsam umkurvte Henry seine Schwester, die begeistert dreinblickte und, um das Gefährt im Blick zu behalten, eine Pirouette drehte und applaudierte.
Henry ließ die Pferde vor dem Stall anhalten, drehte sich zu Jonas und lächelte ihn strahlend an. »Danke! Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.«
»Unsinn«, Jonas lächelte, »ich werde mir etwas ausdenken.«
Henry lachte, drückte ihm strahlend die Zügel in die Hand und sprang aus dem Wagen. »Es war wundervoll!«, erzählte er seiner Schwester, »die meiste Zeit bin ich gefahren. Jonas meinte, ich hätte eine gute Hand.«
»In der Tat.« Jonas befestigte die Zügel und sprang ebenfalls aus dem Zweispänner. John Ostler streckte den Kopf aus der Küchentür, um zu sehen, ob er gebraucht wurde; aber Jonas umrundete bereits die Kutsche und winkte ihn fort. »Es wird nicht viel Mühe kosten, einen achtbaren Fahrer aus ihm zu machen«, erklärte er Em lächelnd. »Es ist einfach, jemanden zu unterrichten, der den Unterschied zwischen Lenken und Ziehen begriffen hat.«
Henry platzte beinahe vor Freude.
Freundlich nickte Jonas in seine Richtung. »Ich werde in ein paar Tagen wieder vorbeischauen, mal sehen, welche Fortschritte du bis dahin gemacht hast. Wir können dann noch eine Ausfahrt verabreden.«
»Nochmals vielen Dank!« Henry verabschiedete ihn überschwänglich und verschwand dann im Gasthaus.
Jonas und Em schauten ihm nach.
»Ich nehme an, dass er Hunger hat«, meinte Em nachdenklich. Ihr Tonfall legte nahe, dass sich aus solchem Grund bei männlichen Wesen in Henrys Alter manch
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