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Stolz und Verlangen

Stolz und Verlangen

Titel: Stolz und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LYNNE GRAHAM
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nicht verstehen können, wovon sie sprach, er würde ihr schlicht raten, ihren Mann zu verlassen. Als wenn das so einfach wäre!
    Bevor der Mut sie verlassen konnte, schlüpfte Molly schnell in ein paar Sachen und setzte sich an den Computer. Im Internet suchte sie nach Ophelias Adresse. Madrigal Court hatte eine eigene Website, und so schickte Molly eine E-Mail. Dabei achtete sie auf einen lässigen Ton, erkundigte sich nach Haddock, dem alten Papagei, und gab nur ihre Handynummer an. Vielleicht wollte Ophelia ja nichts mit ihr zu tun haben …
    Etwa zur gleichen Zeit musste Leandro in seinem Büro in der Bank in Sevilla den aufreibenden Besuch eines älteren Onkels durchstehen. Der alte Mann erging sich verlegen über die seit Neuestem kursierenden, höchst verstörenden Gerüchte über ein weibliches Familienmitglied, das sich angeblich mit einem Mann traf, dessen Namen nicht erwähnt wurde. Der Onkel, ein alternder Junggeselle, achtete während seines gesamten Vortrags auf eine extrem vorsichtige Wortwahl, weigerte sich, Namen zu nennen, weder zu den Betroffenen noch zu seiner Quelle, und so war Leandro auch nach der langen Rede nicht sehr viel schlauer.
    „Natürlich werden manche anführen, dass Künstler eben so sind – viel Leidenschaft und wenig Vernunft“, sagte Esteban mit schmalen Lippen. „Aber es ist deine Pflicht, solchen Aktivitäten ein Ende zu setzen und den Namen der Familie zu schützen. Ich entschuldige mich dafür, dass ich es bin, der dich auf eine derart skandalöse Angelegenheit hinweisen muss.“
    Bis zu dem Moment, da Esteban die Worte „Künstler“ und „Leidenschaft“ erwähnte, war Leandro geneigt gewesen, das Ganze eher mit Humor zu betrachten. Was mochte Esteban wohl als „skandalöse Angelegenheit“ bezeichnen? Einen zu kurzen Rock? Einen harmlosen Flirt? Eine Frau, die nach sieben Uhr abends ohne männliche Eskorte in der Öffentlichkeit gesehen worden war?
    Doch wenn es um seine eigene Frau ging, war Leandro nicht viel liberaler als seine Vorfahren im siebzehnten Jahrhundert. Und der einzige Künstler in der Familie war, so weit er wusste, Molly.
    „Fernando Santos?“, presste er zwischen den Zähnen hervor und erhob sich abrupt.
    Erstaunt über den unerwartet jähen Ausbruch des Familienoberhaupts, nickte Esteban nur stumm.
    Molly war gerade dabei, ihr Studio aufzuräumen. Als ein Wagen vorfuhr, blickte sie überrascht auf und sah Leandro aus dem Auto springen. Sofort zog ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht.
    „Ich hatte schon befürchtet, du würdest nie kommen und es dir ansehen“, gestand sie.
    Der leiseste Hauch verlegenen Rots huschte über seine Wangen. Leandro ließ den Blick über den Hof und die umliegenden Bürogebäude und Wohnhäuser des Personals schweifen. Warum hatte er eigentlich nicht vorher daran gedacht, dass seine Frau sich ganz selbstverständlich mit einem Mann anfreunden würde, wenn sie jeden Tag praktisch direkt neben seiner Haustür arbeitete?
    „Du hast hier beeindruckende Veränderungen vorgenommen.“ Ihm fiel die makellose und durchorganisierte Ordnung im Studio auf. Molly mochte wie ein kleiner Wirbelwind durchs Leben stürmen, aber in ihrer Umgebung ließ sie keine Unordnung zu.
    „Ohne Fernandos Hilfe hätte ich es kaum geschafft. Er ist unbezahlbar. Er hat mir auch einen seiner Freunde vorgestellt, der Maler ist. Der hat mir die besten Tipps gegeben, wo ich alle meine Utensilien besorgen kann.“
    Das schlechte Gewissen wuchs immer mehr. Leandro nahm eine Schale auf und studierte den perlmutternen Schimmer. „Das ist ausgesprochen hübsch, mi cielo . Ich hätte dir mehr helfen sollen, aber ich bin froh, dass Santos sich nützlich gemacht hat. Siehst du ihn oft?“
    Sie spürte seine unterschwellige Gereiztheit und verspannte sich. „Eigentlich jeden Tag. Ich meine, sein Büro liegt direkt gegenüber, nicht wahr?“
    Unter dichten Wimpern hervor musterte er sie. „Du solltest im Umgang mit ihm vorsichtiger sein …“
    „Was, zum Teufel, soll das nun wieder heißen?“, unterbrach sie ihn ärgerlich. „Was willst du damit andeuten?“
    Grimmig schaute er sie an. „Ich will gar nichts damit andeuten. Ich vertraue dir. Ich bin nicht so dumm, dass ich dir unterstelle, du würdest dich mit einem anderen Mann einlassen, aber ich denke, du lässt es an Diskretion mangeln. In einer ländlichen Gegend wie hier herrschen noch altmodische Vorstellungen, und ein zu lässiger Umgang zwischen den Geschlechtern kann Probleme

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