Stolz und Verlangen
behagte.
Zurück in ihren Räumen, rief Molly als Erstes ihre E-Mails ab und schalt sich sofort für ihre Ungeduld, so schnell Antwort von Ophelia zu erwarten. Wahrscheinlich wusste ihre Schwester noch gar nicht, dass sie Post hatte. Vielleicht war es auch ein Fehler gewesen, sich überhaupt zu melden. Jahrelang hatte die Angst vor der Zurückweisung sie davon abgehalten, Kontakt aufzunehmen, aber jetzt hatte die Einsamkeit sie in einem schwachen Moment überwältigt.
All ihre optimistischen Träume, was sie aus ihrer Ehe machen könnte, zerfielen immer schneller um sie herum zu Staub.
In dem großen Schlafzimmer ihrer Stadtwohnung legte Julieta am nächsten Abend das Telefon aus der Hand und sah mit entsetzt aufgerissenen Augen zu Molly, die gerade Lippenstift auftrug und ein Gähnen unterdrückte. Um diese Zeit lag sie normalerweise schon im Bett.
„Das war meine Mutter …“
„Dachte ich mir schon.“ Molly seufzte. „Bevor ich herkam, hat sie mich noch wissen lassen, dass ich wie ein Flittchen angezogen bin und dass eine anständige Frau niemals ohne ihren Ehemann ausgehen würde.“
Julieta schüttelte ungläubig den Kopf. „So wütend habe ich Mama noch nie erlebt.“
„Ist wohl meine Schuld. Ich habe sie nämlich gar nicht beachtet.“
„Sie hat kein Recht, so mit dir zu reden. Leandro würde das nie erlauben. Warum sagst du ihm nicht, wie sie dich behandelt?“
Molly zuckte nur die Schultern. „Ich will mich nicht mit jemandem anlegen, mit dem ich unter einem Dach wohne. Ich hoffe immer noch, dass sie irgendwann genug hat und wieder in ihre eigene Wohnung übersiedelt.“
„Es war eigennützig von mir, dich heute Abend einzuladen. Ich will keinen Ärger zwischen dir und Leandro säen. Ich wusste ja nicht, dass die Gerüchte dich mit Fernando in Verbindung bringen!“
„Das ist doch nur albernes Gerede.“ Allerdings erkannte sie jäh, dass ihre Schwiegermutter inzwischen auch davon gehört haben musste.
„Oder man hat mich mit ihm gesehen und angenommen, du wärst es.“ Julieta war die Angst anzumerken, ihre heimliche Affäre könnte herauskommen. „Fernando schaut sich schon nach einer anderen Stellung um, aber ohne Empfehlungsschreiben von meinem Bruder wird es schwer werden.“
Im Stillen war Molly froh, dass Fernando woanders unterkommen wollte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie Leandro Julietas Techtelmechtel verschwieg, und wäre sehr erleichtert, wenn die Treffen nicht mehr genau vor ihren Augen stattfinden würden. Gestern hatte Leandro bis spät in die Nacht in seinem Arbeitszimmer gesessen und war dann in seinem eigenen Schlafzimmer zu Bett gegangen. Molly hatte sich zusammenreißen müssen, um nicht zu ihm hinüberzugehen. Wenn sie sich liebten, dann hatte sie das Gefühl, ihm nahe und wichtig zu sein, aber im harschen Licht des nächsten Tages verblassten die Gefühle immer komplett. Und doch, wie konnte er so besitzergreifend sein, wenn er nichts für sie empfand? Oder hatte das einfach nur mit männlichen Territorialansprüchen zu tun?
Mollys Handy klingelte, als sie mit Julieta und deren Freunden in der schicken Tapas-Bar saß. Es war Leandro.
„Warum hast du mir nichts davon gesagt, dass du ausgehst?“
„Ich dachte, es würde dir sowieso nicht auffallen“, hörte sie sich erwidern und strich über das kleine Schwarze, das ihren dicken Bauch sehr gekonnt kaschierte.
„Sag mir, wo du bist, dann komme ich auch hin.“
Irgendwann würde Fernando zu der Gruppe stoßen. Es war besser für Julieta, wenn Leandro dann nicht anwesend war. „Nein, danke.“
„Du bist meine Frau“, knurrte Leandro.
„Ich weiß. Aber manchmal gleicht dieser Ehering eher einem Halsband. Ich hatte viel mehr Spaß, als ich noch Single war. Hör zu, wir sehen uns morgen, ja?“
„Morgen? Und wo verbringst du die Nacht?“ Von Leandros üblicher kühler Beherrschtheit war nicht mehr viel zu bemerken.
Molly lächelte leise vor sich hin, sie genoss die Situation und ließ ihn noch ein wenig schmoren, bevor sie lässig antwortete: „Na, bei deiner Schwester natürlich. Bitte, verdirb ihr nicht den Geburtstag.“
Doch für Molly war die Stimmung verdorben. Vielleicht lag es daran, dass sie die Einzige war, die nüchtern blieb. Und mit jeder Minute wurde sie müder. Man siedelte schließlich in einen angesagten Nachtclub über. Vor dem Eingang gesellte sich Fernando zu ihnen. Molly blinzelte erschreckt, als die Kamerablitze der Paparazzi losgingen, und war froh, sich hastig in
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