Stolzes Herz und heiße Küsse (German Edition)
sie allerdings zur Gesellschaft gehörte, mochten sie sich hier im Hotel treffen.
Sie konnte ihm nicht ins Hotel folgen, ohne unliebsame Aufmerksamkeit zu erregen. Niemand durfte erfahren, was sie tat. Seufzend zog sie sich in eine dunkle Nische auf der anderen Straßenseite zurück, um zu warten, dankbar, dass sie die kleine Pistole mitgenommen hatte, die Harry ihr vor einigen Jahren gegeben hatte. Wie vornehm die Gegend auch war, eine Frau, die allein unterwegs war, ging immer ein Risiko ein. Diese Lektion hatte sie in Vauxhall wahrhaft gründlich gelernt.
Sebastian durchquerte die Eingangshalle des „Pulteney“, und steuerte die Treppe und den Raum an, der ihm in dem Brief genannt worden war. Er wünschte sich weit fort. Sein Kinn war ganz verkrampft, und der Nerv neben seinem Auge hatte wieder zu zucken begonnen. Aber er hatte keine andere Wahl.
Als er die Tür erreichte, blieb er stehen und rührte sich nicht. Viele Jahre waren vergangen, seit er seine Mutter zum letzten Mal gesehen hatte. Er wollte sie auch jetzt nicht sehen, aber er wollte auch nicht, dass sie sich in England niederließ. Er hatte ihr genügend Geld gegeben, damit sie nach Italien zog, und überwies ihr immer noch eine sehr großzügige Apanage.
Er stählte sich für das Zusammentreffen und klopfte energisch an. Ihr „Herein“, hörte sich durch die Tür so weich an, als spräche ein junges Mädchen. Sebastian verzog das Gesicht und trat ein.
Sie saß kerzengerade in einem Sessel am Feuer. In ihr einstmals schwarzes Haar hatten sich silberne Strähnen gemischt. Es war die auffälligste Veränderung an ihr.
„Setz dich“, sagte sie und deutete auf einen Sessel. „Ich habe dir eine Menge zu sagen und ziehe es vor, dabei nicht zu dir aufsehen zu müssen. Davon bekomme ich nur einen steifen Nacken und später Kopfschmerzen.“
Das ist mal wieder typisch, dachte Sebastian und setzte sich. Es war verrückt, aber er musste zugeben, dass seine Mutter immer noch Gefühle in ihm weckte. Zuerst war es die Liebe eines Kindes zu seiner Mutter gewesen, später Zorn angesichts ihrer zahllosen Liebhaber, und als er erfuhr, dass er nicht der Sohn des Duke of Brabourne war, Hass. Jetzt empfand er Neugierde. Er musste in Erfahrung bringen, warum sie hier war, und dafür sorgen, dass sie schleunigst nach Italien zurückkehrte, vorzugsweise ohne dass sie Juliet kennenlernte.
„Möchtest du ein Glas Wein?“, fragte sie.
„Nein danke.“
Er schlug die Beine übereinander und musterte sie. Trotz ihrer grauen Haare hatte sie sich gut gehalten. Um ihre blauen Augen hatte sie Krähenfüße, aber ihre Haut war immer noch cremeweiß und hatte keinerlei Altersflecken. Ihre Haltung war königlich, ihre Gestalt rank und schlank. Sie trug ein sehr modisches Gewand, dessen trügerisch einfacher Schnitt ihre prächtigen Brüste und die schmale Taille betonte. Eine mehrreihige Perlenkette umschloss ihren Hals; er nahm an, dass sie damit die an diesem Körperteil unvermeidlichen Falten versteckte.
„Warum bist du zurückgekommen?“,fragte er, entschlossen, die Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
„Du warst schon immer frech und respektlos.“
„Immer nicht“, murmelte er.
Sie legte den Kopf schief. „Nein, vermutlich nicht. Als du klein warst, warst du voller Liebe und immer eifrig darauf bedacht, alles zu tun, was man dir aufgetragen hat. Du hast dich verändert.“
Überrascht stellte er fest, dass in ihrer Stimme Bedauern lag. Er hätte nicht gedacht, dass sie zu etwas anderem als Selbstsucht fähig war. „Das liegt an dem, was du getan hast.“
Sie seufzte und senkte den Blick auf ihre gefalteten Hände. „Ich habe getan, was nötig war. Es tut mir leid, wenn ich dich damit verletzt habe.“
Er stieß ein scharfes Lachen aus. „Leid? Daran hättest du denken müssen, als du mit jedem Mann Englands ins Bett gesprungen bist.“
Bitter entgegnete sie: „Davon sprach ich nicht. Ich meinte, dass ich Brabourne geheiratet habe, obwohl er nicht dein Vater war.“
„Du hast ihn geheiratet, als du bereits mit mir schwanger warst? Wusste er es?“
„Nein“, murmelte sie. „Ich habe ihm erzählt, du seist zu früh gekommen. Zuerst hat er mir geglaubt, doch dann hat er ein Gespräch der Kinderfrauen mitbekommen. Sie sagten, du seist zu groß für eine Frühgeburt.“
„Warum hast du es getan?“ Er konnte kaum glauben, was er da hörte. Der Mann, den er viele Jahre für seinen Vater gehalten hatte, war nicht nur nicht
Weitere Kostenlose Bücher