Stolzes Herz und heiße Küsse (German Edition)
Juliet schwanger war. Sebastian fragte sich das selbst. Insgeheim erhoffte er es sich.
Müde und bleich sah sie aus. Er hätte am Morgen nicht so mit ihr reden dürfen, aber er hatte selbst nicht genau gewusst, was mit ihm los war. Er wusste es immer noch nicht. Die Eiche hatte ihn an ihr Duell denken lassen, und einen winzigen Augenblick war er froh darüber gewesen, dass sie es getan hatte. Was einfach absurd war. Seit sie in sein Leben getreten war, hatte sich alles verändert. Nicht einmal seine früheren Gespielinnen besuchte er noch.
Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. „Bist du krank? Tut dir deine Schulter immer noch weh?“
Sie sah auf und begegnete seinem Blick. Noch immer glänzten Tränen in ihren grünen Augen. „Nein, es geht mir gut.“
Mit einem Finger fuhr er eine Tränenspur nach. „Warum hast du dann geweint?“
Sie wandte sich ab und flüsterte fast unhörbar: „Ich bin müde, das ist alles.“
„Bist du guter Hoffnung?“ Er fasste sie am Kinn und drehte ihr Gesicht sanft zu sich, damit er sie beobachten konnte.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht.“
„Ah.“ Völlig unerwartet empfand er einen Stich der Enttäuschung. Aber wir haben noch jede Menge Zeit, sagte er sich. „Dann muss es wohl an den vielen späten Abenden liegen, und an den Aufmerksamkeiten deines Gatten“, fügte er mit einem lüsternen Grinsen hinzu.
Teilnahmslos starrte sie ihn an. „Vielleicht. Ich glaube, ich sollte mich hinlegen.“ Sie stand auf und schaute auf ihn hinab. „Allein.“
Er stand auf und nahm ihre Hand. „Bist du sicher?“
„Ja.“
Da gab er sie frei und trat beiseite. Einen Gesichtsausdruck wie den ihren hatte er schon an anderen Leuten gesehen – wenn sie alles verloren hatten. Doch für solche Gefühle hatte sie keinerlei Grund. Er hatte ihr seine ganze Welt zu Füßen gelegt.
Vielleicht würde er mehr erfahren, wenn er Burroughs noch einmal genauer befragte.
Abends beim Dinner sah sie nicht besser aus, obwohl sie nachmittags geruht hatte. Sebastian sah zu, wie sie in ihrem Essen herumstocherte, es auf dem Teller herumschob und in kleine Bissen zerteilte, die sie dann nicht aß. Wein trank sie auch keinen.
Juliet sah von ihrem Teller auf und entdeckte, dass er sie beobachtete. Die dunklen Ringe unter ihren Augen betonten ihre hohen Wangenknochen. „Verbringst du den Abend zu Hause?“
Das hatte sie ihn noch nie gefragt. Er überlegte, bevor er antwortete. Wusste sie von der Einladung und von wem sie kam? Er glaubte nicht.
„Nein, ich bin mit Ravensford und Perth bei White’s verabredet“, log er.
„Ach so“, murmelte sie. „Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst.“ Sie schob ihren Stuhl zurück und verließ den Raum.
Sebastian stand ebenfalls auf, sein einziger Gedanke der, dass er ihr folgen und sie trösten wollte. Er tat drei Schritte und hielt dann inne. Es war nicht der richtige Zeitpunkt. Etwas hatte sie verstört, aber er konnte jetzt nicht die Zeit erübrigen, um herauszufinden, worum es sich handelte.
Seine Mutter wartete.
Juliet zog die Kapuze ihres schwarzen Umhangs fester um ihr Gesicht. Sie musste heftig blinzeln, um die Tränen zu verscheuchen, die ihr die Sicht verschleierten. Vor ihr bewegte sich Sebastian rasch durch die abendlichen Schatten. Er ging zu einer anderen Frau.
Dankbar für die einsetzende Dämmerung und die langen Schatten, zog sie sich in den Eingang eines geschlossenen Ladens zurück. Ein paar Leute waren noch unterwegs, manche zielstrebig, andere schlenderten ziellos herum. Auch sie halfen ihr, sich zu verbergen. Nicht dass Sebastian sich umgesehen hätte. Er wähnte sie sicher zu Hause, während er seinen Vergnügungen nachging.
Sie wusste, dass sie einen Fehler beging. Eine Frau schlich ihrem Gemahl nun einmal nicht zu seiner Geliebten nach. Das war überaus ungehörig. Außerdem tat es so weh, wie ihr noch nie etwas wehgetan hatte – außer vielleicht der Moment, als sie herausfand, dass er ihr untreu war.
Er ging Richtung Piccadilly. Sie beeilte sich, ihm zu folgen; nur seine Größe erlaubte es ihr, ihn im Blickfeld zu behalten. Ohne zurück- oder sich umzublicken – also hatte er keine Ahnung, dass ihm jemand folgte –, betrat er das „Pulteney“. In diesem Luxushotel hatten der Zar und seine Schwester genächtigt, als sie London im Jahr 1814 einen Besuch abstatteten.
Überrascht hielt sie inne. Sie hatte angenommen, dass er seine Geliebte irgendwo in einem Privathaus untergebracht hätte. Wenn
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