Stolzes Herz und heiße Küsse (German Edition)
entdecken, dass er sie mit einer grüblerischen Intensität beobachtete, die nicht im Mindesten dazu angetan war, ihre angespannten Nerven zu beruhigen. Er war schon für den Abend umgekleidet. Vielleicht wollte er zu Almack’s, obwohl sie bezweifelte, dass er diesen überaus ehrwürdigen Heiratsmarkt frequentierte. Wahrscheinlich plante er, in einen seiner Clubs zu gehen, bevor er sich auf ein Schäferstündchen mit einer seiner zahllosen Geliebten einließ. Diesmal wäre es zumindest nicht ihre Stiefmutter.
Allerdings musste sie zugeben, dass er der schönste Mann war, den sie je gesehen hatte. Der hervorragend geschnittene schwarze Frackrock betonte seine breiten Schultern. Die schwarzen Kniehosen schmiegten sich an seine schmalen Hüften, während die weißen Strümpfe makellose Waden zur Geltung brachten. Sein Krawattentuch war zu einem Brabourne-Soirée geschlungen, wie sie vermutete, ein Stil, den ihr jüngerer Bruder trotz beständigen Strebens immer noch nicht hatte nachahmen können. Doch Brabournes Eleganz war nichts im Vergleich zu dem Mann selbst.
Er war einfach atemberaubend. Aber wahrscheinlich lag es nur an ihrer Verletzung, dass ihr die Luft knapp wurde, wie sie sich versicherte. Das unmodern lange Haar hing ihm schimmernd wie ein Rabenflügel über den Kragen und wippte bei jedem Schritt, den er tat. Seine Augen waren strahlend blau und durchdringend. Zu durchdringend, dachte sie errötend, als es sie heiß überlief. Und dann sein Mund. Solche Lippen hatte sie bisher nur im Marmorgesicht eines griechischen Gottes gesehen. Seine männliche Schönheit – ein anderes Wort gab es dafür einfach nicht – wurde nur von dem Ausdruck gelangweilter Ausschweifung beeinträchtigt, der um seine Augen und den Mund spielte.
Sie war überaus dankbar dafür, dass er sich nicht für sie interessierte, denn sie glaubte nicht, dass sie ihm hätte widerstehen können, wenn er sie gewollt hätte. Daher wäre es für alle Beteiligten am besten, wenn sie das Haus auf der Stelle verließ. Ferguson würde sich schon darum kümmern. Er hätte sie gleich zum Landsitz ihres Vaters bringen sollen.
„Hier, junger Herr“, sagte Ferguson und stellte das Tablett auf dem Tisch neben dem Bett ab.
Bei dem Duft nach Hühnersuppe lief Juliet das Wasser im Mund zusammen. Sie versuchte sich aufzurichten, fiel jedoch kraftlos in die Kissen zurück. Vor Anstrengung klang ihre Stimme ganz dünn. „Es besteht kein Grund mehr zur Täuschung, Ferguson. Seine Gnaden weiß, dass ich eine Frau bin.“
Ferguson, der gerade einen Löffel Suppe an Juliets Mund führen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne und warf dem Duke einen drohenden Blick zu.
„Keine Sorge“, versetzte der Duke schleppend, „ich werde mich nicht dazu hinreißen lassen, ihr Gewalt anzutun. Aber Sie sorgen besser dafür, dass niemand sonst die Maskerade durchschaut.“ Seine Augen glänzten boshaft auf. „Ich kann nicht alle meine Dienstboten unter Kontrolle behalten.“
„Ja, Euer Gnaden“, sagte Ferguson und blickte stirnrunzelnd auf Juliet hinab. „Ich bringe das Mädchen fort von hier, bevor auch nur irgendwer was merkt.“
„Das wäre am besten“, sagte ihr Gastgeber wider Willen und ging zur Tür. Einmal wandte er sich noch zu ihr um, dann verließ er den Raum. Leise fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Die Anspannung, von der Juliet gar nichts bemerkt hatte, verließ sie, und sie sank noch tiefer in das weiche Federbett. „Sobald ich gegessen habe, müssen wir weg von hier.“
Ferguson nickte. „Hobson kommt jeden Augenblick vorbei, um sich nach Ihnen zu erkundigen, Kindchen. Während er da ist, hole ich die Kutsche.“
Zärtlich stützte er sie mit den weichen Kissen und half ihr, die Suppe zu löffeln. Juliet war froh über seine Hilfe, da sie die Hand nicht ruhig halten konnte. Als sie fertig war, sank ihr Kopf nach hinten.
„Ich bin so müde, Ferguson. Ich glaube, ich will ein bisschen schlafen. Wecken Sie mich, wenn Hobson da ist.“
„Ja, Kindchen.“ Er goss eine großzügig bemessene Dosis Laudanum in ein Glas und fügte Wasser hinzu, um den bitteren Geschmack der Medizin zu mildern. „Nehmen Sie das. Es hilft Ihnen beim Einschlafen, und es lindert die Schmerzen.“
Juliet lächelte schwach. „Zum Einschlafen bräuchte ich es nicht, aber es wäre schön, weniger Schmerzen zu haben.“ Mit einer Grimasse schluckte sie den Trunk.
Ferguson machte es ihr im Bett bequem. Bevor er noch seinen Stuhl erreicht hatte, war sie schon
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