Stone Girl
schenken kann, und sei es nur eine zusätzliche Silbe.
»Sethie ist ein cooler Name«, meint Janey, reckt die Arme über den Kopf und starrt an die Decke. »Der Wasserfleck da oben sieht aus wie ein Pferdekopf«, fügt sie hinzu.
»Wo?« Sethie rückt näher an Janey heran und lehnt sich gegen sie, sodass sich ihre Köpfe auf einer Höhe befinden. »Da.« Janey deutet nach oben. Dann lässt sie den Arm sinken und legt ihn um Sethie. »Kannst du ihn sehen?«, flüstert sie.
»Ja, jetzt schon.« Es entspannt Sethie, so dazusitzen, an ihre neue Freundin gelehnt. Sie kichern. Shaw dreht sich um und mustert die beiden.
»Was ist so witzig?«
»Mädchenkram«, erwidert Janey in besitzergreifendem Ton.
»Mädchenkram«, stimmt Sethie zu.
4
Sethie übergibt sich über einen Monat lang nicht. Was sie stattdessen tut, ist Folgendes: Sie beginnt, ihre Nachmittage entweder bei Shaw oder bei Janey zu Hause zu verbringen. Janeys Eltern sind nie da, deswegen müssen die drei zum Haschrauchen nicht länger in Sethies leer stehendes Apartment. Sethie macht ihre Hausaufgaben entweder mit Janey oder mit Shaw. Shaw hilft ihr bei der Differenzialrechnung und sie hilft Janey mit ihren Vokabeln für den Eignungstest. Sie selbst macht ihn noch ein zweites Mal, obwohl ihr alle, sogar die Lehrer und ihre Mutter, sagen, dass sie das nicht müsse, wo sie doch beim ersten Mal so hervorragend abgeschnitten habe (und tatsächlich: In der Auswertung hat sie zehn Punkte weniger). Außerdem hat sie schon für zehn Unis ihre Bewerbungen fertig, obwohl es eigentlich noch zu früh ist, um sie zu verschicken. Und wenn sie ehrlich ist, hat sie eigentlich auch nur an der Hälfte von ihnen Interesse.
Jeden Morgen sagt ihr die Waage unter dem Bett, dass sich ihr Gewicht bei 50, plus/minus ein Kilo, eingependelt hat. Manchmal ist es ein Kilo drüber, oft ein Kilo darunter. Sie hat ihr Gewicht fast jeden Tag zweimal überprüfen können, denn im Badezimmer von Janeys Eltern steht eine elektronische Waage, die sehr viel mehr Funktionen hat als ihr eigener Computer.
Sethie erstellt sich einen neuen Plan: Pro Tag gestattet sie sich eine Mahlzeit (üblicherweise das Abendessen) mit kleinen Salzbrezelsnacks, Diät-Schoko-Müsliriegeln, Crispix-Müsli oder Äpfeln mit Monterey-Jack-Käse, aber nur wenn sie richtig Hunger bekommt.
Mindestens viermal pro Woche hat sie Sex mit Shaw, und das in der Regel nicht nur einmal. Sethie fragt sich, wie viele Kalorien sie bei dem ganzen Sex wohl verbrennt. Sie geht zu einem Frauenarzt und lässt sich die Pille verschreiben. So können sie und Shaw endlich aufhören, Kondome zu benutzen, denn da sie beide das erste Mal füreinander waren, besteht keine Gefahr. Seit sie die Pille nimmt, sind ihre Brüste etwas geschwollen, aber sonst hat sie bislang nicht zugenommen.
Eines Nachts, als Sethie, Janey und Shaw sich in Janeys Apartment für eine Party in irgendeinem Club fertig machen, wo irgendjemand den Türsteher kennt und sie nicht nach dem Ausweis gefragt werden, probiert sie das erste Mal Kokain aus. Zuerst hat sie Angst davor. Sie neigt zu Nasenbluten und findet es außerdem total eklig, dass sie alle denselben Zwanzig-Dollar-Schein benutzen, auf den sie sich nach einigen Diskussionen geeinigt haben. Einen Fünfziger oder irgendetwas darüber zu benutzen, wäre einem Achtzigerjahre-Klischee gleichgekommen, ein Zehner oder etwas darunter wäre ziemlich uncool gewesen.
Sie ist sehr enttäuscht von dem Kokain. Sie fühlt überhaupt nichts. Janey und Shaw scheinen es zu mögen, also tut sie so, als würde sie es auch fühlen. Eigentlich macht es nur ihren Mund taub, und sie erinnert sich, dass sie irgendwo mal gelesen hat, Zahnärzte hätten früher ihren Patienten Koks verabreicht. Nachdem sie so viel geschnupft haben, wie sie nur können, ist es Zeit für den schönsten Part: Shaw leckt sich über den Daumen, drückt ihn auf den Spiegel, damit das verbliebene Koks daran haften bleibt, steckt ihn dann in Sethies Mund, fährt ihr Zahnfleisch entlang und küsst sie, und das direkt vor Janey.
»Fühlt sich anders an«, sagt er und küsst sie noch heftiger.
Jetzt ist Sethie gerade mit Janey im Saks , weil sie übereingekommen sind, dass sie coolere Winterklamotten brauchen, um das kühle Wetter zu überstehen, ohne dabei wie moppelige Kleinkinder in Schneeanzügen auszusehen.
»Unsere Körper sind zu attraktiv, um sie unter unförmigen Sweatern oder Mänteln zu verstecken«, verkündet Janey, als sie den Laden
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