Stone Girl
hat. Ich sollte die 47 ein bisschen ausführen, denkt sie trocken, und es genießen, solange sie vorhalten.
Sie wartet bis neun Uhr, um Ben anzurufen. Sie sitzt auf ihrem Bett, mit den Decken um sich herum, aber nicht ganz über sie drübergezogen. Nach den zwei Wochen, in denen sie sich absichtlich zum Frieren und zum Schwitzen gebracht hat, weiß sie nicht mehr, ob ihr heiß oder kalt ist. Eigentlich würde man erwarten, Metall sei kalt, doch das Messer unter ihrer Matratze ist immer warm, und Sethie mag das Gefühl. Während sie darauf wartet, dass Ben rangeht, liegt das Messer auf ihrem Schoß. Ihr gefällt das Gewicht auf ihren Beinen, es ist fast, als würde ein Haustier auf ihrem Schoß sitzen und ihr Gesellschaft leisten. Sie fährt mit dem Finger über die Spitze, als würde sie eine Katze streicheln.
»Hallo?«
»Elliot das Schmunzelmonster?«, fragt Sethie.
»Ich dachte, wir hätten darüber gesprochen, dass du mich nie so nennen sollst«, sagt Ben, und Sethie kommt es auf einmal so vor, als wäre ihr Bauch voll. Einfach, weil Ben ihre Stimme erkannt hat. Wenn sie sich immer so satt fühlen würde, denkt sie, müsste sie nie wieder etwas essen.
»Das muss ich vergessen haben.«
»Dann denk in Zukunft bitte dran.«
»Das werde ich.«
»Gut.«
»Wie ist es so, wieder in der Stadt zu sein?«
»Jetzt viel schöner«, erwidert Ben.
»Jetzt?«, fragt Sethie.
»Jetzt, da du vorbeikommst, um mit mir Die Braut des Prinzen zu schauen.«
Sethie lacht. Das hat sie seit Ferienbeginn nicht mehr getan.
»Du, das war so was von elegant.«
»Ich dachte mir schon, dass dich das beeindruckt.«
»Oh ja.«
»Und?«
»Und was?«
»Wann machst du dich auf den Weg?«
»Heute Abend?«
»Ja, heute Abend. Es ist doch noch nicht zu spät, oder?«
»Nein, das nicht. Aber einige von uns haben morgen Schule.«
»Ach so, ja, richtig.«
Ben klingt so enttäuscht, dass Sethie sagt: »Ach, scheiß drauf – gib mir zwanzig Minuten, und ich bin mit dem Film da.«
Sethie stellt sich vor, wie Ben grinst, als er »bis gleich!« erwidert und das Telefon ausschaltet.
Sethie zieht sich ihre engen Jeans an, die sie mit Janey bei Saks gekauft hat. Sie denkt daran zurück – an die Zeit, bevor sie Doug kennengelernt haben, wahrscheinlich noch bevor Shaw Anna gekannt hat, in der sie sich nur einmal übergeben hatte, und lange bevor sie ein Messer unter ihrem Bett versteckt hat. Sie weiß noch, wie eng ihr die Jeans damals vorgekommen sind. Sie könnte nicht sagen, ob sie jetzt weiter sind, weil sie drei Kilo abgenommen hat, oder ob es nur daher kommt, dass sich die Jeans durch das Tragen gedehnt haben. Beinahe hätte sich Sethie das Messer in die Tasche gesteckt, doch dann fällt ihr ein, dass sie ja eigentlich den Film mitbringen soll.
Auf dem Weg in den Norden der Stadt kurbelt sie das Taxifenster herunter und steckt ihren Kopf wie ein Schäferhund hinaus. Draußen regnet es nicht so richtig, aber es ist auch nicht ganz trocken. Bis sie bei Ben ist, wird ihr Lidstrich anfangen zu verlaufen, denkt Sethie, trotzdem kurbelt sie das Fenster nicht hoch.
»Hey, frohes neues Jahr«, sagt Ben, als er die Haustür öffnet. Wenn Ben an Silvester in der Stadt gewesen wäre, denkt Sethie, dann hätte sie um Mitternacht einen Kuss gekriegt.
»Frohes Neues«, gibt sie zurück und lässt sich in die Umarmung fallen. Er ist so groß, dass sie seine Hüftknochen umschlingt. Sethie merkt, dass sie hervorstehen, genau wie ihre, wenn sie dünn genug ist.
»Ich glaube, du bist geschrumpft«, sagt Ben und fährt ihr durchs Haar. »Du siehst noch kleiner aus, als ich dich in Erinnerung habe.«
»Na ja, du siehst auch viel größer aus, als ich dich in Erinnerung habe«, sagt Sethie. Doch eigentlich ist sie tatsächlich geschrumpft, denkt sie. Sie ist ganze drei Kilo dünner als vorher, und sie ist stolz, dass Ben es gemerkt hat, sogar jetzt, als sie noch ihren Mantel anhat, wo man doch eigentlich denken würde, dass man da nichts von ihrem Körper sehen kann.
Sie wartet, bis sie bei ihm im Zimmer sind, um sich den Mantel aufzuknöpfen.
»Um Himmels willen, Sethie, über die Ferien nimmt man doch normalerweise zu!«, ruft Ben.
»Na ja.« Sethie zieht eine Schnute. »Ich bin eben Jüdin.«
Ein guter Witz, einer, von dem sie normalerweise gedacht hätte, dass Ben ihn lustig finden würde, doch er nimmt ihr nur den Mantel ab und erkundigt sich nach dem Film.
Der Fernseher steht gegenüber von seinem Bett. Sie hätte es nur natürlich
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