Stone Girl
Körpertemperatur vielleicht auch nicht. Der einzige Weg, wirklich an Gewicht zu verlieren, ist, weniger zu essen. Und dann noch weniger und noch weniger.
Jetzt, da sich Sethie nicht mehr auf dem Schulgelände befindet, weiß sie nicht so recht, wo sie hinsoll. Ihre Mutter hat gestern bis spät in die Nacht gearbeitet, und eventuell ist sie heute zum Ausgleich zu Hause geblieben. Ihre Anwaltskanzlei bezahlt ihr nur eine festgelegte Anzahl von Wochenstunden. Obwohl ihr Rebecca wahrscheinlich auch ohne Weiteres glauben würde, dass es ihr nicht gut geht, ist Sethie nicht danach, ihre Lüge noch einmal zu wiederholen. Also beginnt sie, in Richtung Süden zu laufen, zu Shaws und Janeys Schule. Sie geht langsam, mit gesenktem Kopf, sodass ihr die Mütze über die Augen rutscht und sie einen Block von Shaws Schule entfernt beinahe in einen Jungen läuft, der »Sethie!« ruft.
Sie blickt auf. Es ist Matt Ellison, ein Mitschüler von Shaw und Janey, der am ersten Schultag mit in das leer stehende Apartment gekommen ist, um zu rauchen, und mit dem sie sich auf dem Weg in die Columbia in ein Taxi gequetscht hat.
»Was tust du denn um diese Uhrzeit hier draußen?«, fragt Matt und macht einen Schritt auf sie zu.
Sethie zuckt die Achseln. Sie findet nicht, dass es Matt irgendwas angeht, schließlich müsste er selbst auch die Schulbank drücken.
Matt grinst, als würde ihm gerade etwas einfallen. »Hey«, sagt er, »steht das Apartment eigentlich noch leer?«
»Was?«
»Dieses Apartment in eurem Haus … ist es noch frei?«
»Ach so, ja. Die neuen Mieter sind noch nicht da.« Der Portier hat ihnen mitgeteilt, die neue Familie werde nächste Woche einziehen.
»Komm mit«, sagt Matt. Er streckt die Hand nach ihr aus und will sie zur Fifth Avenue ziehen.
»Ich wohne in der anderen Richtung«, sagt Sethie, während sie sich gegen Matt stemmt.
»Ja, aber wir müssen erst noch jemanden treffen.«
»Ach so.« Sethie hat verstanden. Sie müssen sich Hasch besorgen. Sethie hat noch nie gesehen, wie jemand die Drogen kauft, die sie nimmt. Und ganz sicher hat sie selbst nie welche gekauft. Es schien immer jemanden zu geben, der besser als sie darüber Bescheid wusste, wo der Stoff herkam und wie man dorthin gelangen konnte.
Sie folgt Matt über die Fifth Avenue in den Central Park. Südlich der Met setzt sie sich neben ihn auf eine Bank. Sie fragt sich, wie lange sie wohl warten müssen.
»Die Schule von meinem Kumpel ist am anderen Ende der Stadt«, erklärt Matt. »Ich habe mit ihm ausgemacht, dass wir uns im Park treffen.«
Sethie nickt.
»Dir muss kalt sein.«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Trotzdem solltest du dir den Mantel zumachen«, sagt Matt, und Sethie tut, wie ihr geheißen.
Sie macht eine Entdeckung: Drogen kaufen ist absolut undramatisch. Matts Freund taucht auf und überreicht ihm eine braune Papiertüte, die eher so aussieht, als würde ein Bagel darin stecken als ein Tütchen mit Hasch. Matt gibt ihm vierzig Dollar. Während sie zu ihrer Wohnung laufen, starrt Sethie die Tüte an, wobei sie weniger an das Hasch denkt als vielmehr an den Bagel, den sie sich so gut darin vorstellen kann.
»Wenigstens ist es hier drin warm«, sagt Matt, während er aus seinem Mantel schlüpft. Er öffnet die Tüte und zieht eine Coladose und ein Sandwich hervor. Verwirrt blickt Sethie zu ihm auf.
Matt grinst und sagt: »Sagen wir, du solltest noch etwas warten, bevor du in das Sandwich beißt.«
Er geht in die Küche und Sethie hört, wie die Dose mit einem Klack aufgeht und die Flüssigkeit in den Ausguss gekippt wird. Sie weiß nicht genau, ob das Waschbecken zurzeit an irgendwelche Rohre angeschlossen ist.
Als Matt zurückkommt, hat er eine Delle in die Dose gemacht und zieht einen Kugelschreiber aus der Hosentasche, um kleine Löcher in die Dose zu stechen. Er klappt das Sandwich auf und nimmt sich das Tütchen mit dem Hasch von einer der Brothälften.
»Perfekt, oder? Jetzt haben wir den Appetitanreger und den passenden Snack gleich in einem, ein praktisches Kombipack.«
Sethie lächelt, obwohl sie den Witz ziemlich widerlich findet. An der Tüte, aus der er das Cannabis träufelt, klebt ein wenig Mayonnaise. Vorsichtig schiebt er das Hasch auf die Löcher, die er in die Dose gestochen hat.
»Ladies first«, sagt er, holt ein Feuerzeug und reicht die Dose an Sethie. Sie setzt den Mund an die Öffnung und Matt zündet das Cannabis an. Sie atmet ein.
Schon seit Wochen hat sie kein Pot mehr geraucht, seit Monaten
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