Stoppt die Hochzeit!
Clay. Sieh sie dir nur an, ist sie nicht was ganz Besonderes?«
Clay starrte die beiden Frauen an, die Arm in Arm dastanden, aber er konnte seine Aufmerksamkeit nicht von der dunkelhaarigen Schönheit losreißen, die ihn so gekonnt an der Nase herumgeführt hatte. Annabelle erwiderte sein Starren mit mühsam verhohlenem Abscheu. »Oh ja, was ganz Besonderes.«
»Ist das ein Hundertdollarschein?«, fragte Belle, die sich bückte und einen Geldschein hochhob, der auf einer der Fliesen im Foyer lag.
Clays Magen verkrampfte sich, und das Geldbündel in seiner Tasche drückte schwer gegen seinen Schenkel.
»Oh, der gehört mir«, sagte Annabelle. »Ich hab ihn wohl verloren. Ich … hab ja keine Taschen.« Sie zeigte auf den Morgenrock, als würden ihre Worte irgendwie Sinn ergeben. »Übrigens«, sie grinste, »das Mittagessen geht auf mich.«
Clays Blick wanderte zur Decke. Wie großzügig von ihr.
»Großartig«, sagte Martin mit fröhlich dröhnender Stimme. »Wir sollten das Essen an den Pool bestellen. Ich kann mir keinen besseren Rahmen vorstellen, um einander näher kennenzulernen.« Sein Vater lächelte breit. »Ich bin so froh, dass ihr Kinder euch schon begegnet seid. Was für ein glücklicher Zufall, dass ihr euch getroffen habt! Das muss ein gutes Omen sein. Wir werden uns in Zukunft häufig sehen – an Feiertagen, vielleicht sogar zu Familienausflügen.«
Clays Blick verfinsterte sich.
»Denkt doch nur«, sagte Belle, deren übersprudelnde Fröhlichkeit zu der seines Vaters passte und die Annabelle fester an sich drückte, »keiner von uns muss mehr allein sein. Wir werden eine große, glückliche Familie.«
Aber ein Blick in Annabelle Coakleys schmale Augen und auf ihren vom Kuss geschwollenen Mund genügte, dass Clay sich ziemlich un glücklich fühlte.
KAPITEL VIER
»Mom«, sagte Annabelle, die einen grell pinkfarbenen, winzigen Bikini hochhielt. »Ich halte das für keine gute Idee.«
Belle schürzte die Lippen und nickte. »Du hast recht. Das Pink macht dich noch blasser. Versuch es mit dem grünen Badeanzug, Liebes.« Sie drehte sich wieder zum Frisierspiegel und fuhr sich über das Haar, dessen Grau seit Annabelles letztem Besuch von einem Farbton irgendwo zwischen Butter und Rama-Margarine ersetzt worden war.
Annabelle hängte den Bikini, den man mangels Stofffülle kaum als solchen bezeichnen konnte, zurück in den Schrank des Umkleidehäuschens der Castleberrys und atmete ein Mal tief durch. »Ich meinte, den Nachmittag mit den Castleberrys zu verbringen ist keine so gute Idee.« Ein Streifen hellblaues Wasser zwinkerte ihr durch die geschlossenen Fensterläden zu. Der ansonsten beruhigende Anblick wurmte sie ebenso wie die Vertrautheit, mit der ihre Mutter über das Anwesen dieses Mannes ging. Selbst der vornehme Komfort der Umkleideräume ärgerte sie. Ledermöbel, helle Prägetapeten, echte Bilder an den Wänden und Terrakottakacheln auf dem Boden – dieser Raum war hübscher als das Haus, über dessen Kauf sie sich so den Kopf zerbrach. »Wie wäre es, wenn du und ich zum Mittag nach Buckhead fahren würden?«
Enttäuschung blitzte in Belles blauen Augen auf. Ihre hellen Brauen waren in sanften Bögen geschwungen und Wunder über Wunder: Sie trug Eyeliner – noch dazu violetten. »Oh, aber Martin will dich so gerne besser kennenlernen, und ich weiß, dass du ihn mögen wirst. Wir können doch morgen in die Stadt fahren, dann haben wir den ganzen Tag nur für uns.« Sie stand auf und kam zu Annabelle herüber. Auch die Figur ihrer Mutter hatte sich dramatisch verändert – zweifellos das Ergebnis ihres neuen Kickboxtrainings.
Belle nahm ihre Hände, und Annabelle versuchte, beim Anblick des großen Diamantrings, den ihre Mutter am Finger trug, nicht das Gesicht zu verziehen. »Liebling, das könnte die einzige Gelegenheit für mich sein, Zeit mit Clayton zu verbringen, bevor er nach Paris zurückfliegt. Danach werden du und ich jede Minute der Woche vor der Hochzeit miteinander verbringen.« Sie betrachtete Annabelles Overall mit einem besorgten Lächeln. »Vielleicht können wir uns auch gleich nach neuer Kleidung für dich umsehen.«
Annabelle lächelte. Hier war die Mutter, an die sie sich erinnerte. »Hoffentlich findet die Fluggesellschaft bis morgen mein Gepäck.«
Belle befreite Annabelles Haar aus der Spange. »Er sieht ziemlich gut aus, nicht wahr?«
Sie runzelte die Stirn. »Wer?«
»Clayton.«
Annabelles Blick verfinsterte sich. »Ist mir nicht aufgefallen.«
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