Stoppt die Hochzeit!
»Offenkundig hat er nur meine Schwächen ausgelotet.«
Ihre Mutter streichelte Annabelle die Wange. »Ich freue mich, dass du deinen Humor wiedergefunden hast.«
Sie fühlte sich tatsächlich ein kleines bisschen besser. Nachdem sie ihr mangelhaftes Urteilsvermögen in Bezug auf Clay zugegeben hatte, löste sich die Enge in ihrer Brust. Sie lehnte den Kopf gegen das Kopfende des Bettes und unterdrückte ein Gähnen.
»Zeit fürs Bett«, sagte Belle, die plötzlich wieder ganz die Mutter war, aufstand und an der Bettdecke zupfte. »Ich kann ja nicht zulassen, dass meine Brautjungfer morgen mitten während der Zeremonie einschläft.«
Sie lächelte zu ihrer Mutter hoch und kostete diesen intimen Moment aus. »Mom, warum, glaubst du, habe ich mich ausgerechnet in Clay verliebt und warum ausgerechnet jetzt?«
Belles Augen funkelten, als sie die Bettdecke bis unter Annabelles Kinn zog. »Das ist das große Rätsel der Liebe: Du findest sie, ob du nun bereit bist oder nicht.«
Sie schluckte. »Aber sie tut weh.«
»Das muss sie auch, sonst würdest du sie gar nicht bemerken.« Belle beugte sich vor und küsste sie. »Aber die Sonne wird auch morgen wieder aufgehen.«
»Ich hoffe, dass es morgen für die Hochzeit schön wird.«
Belle lächelte. »Das wird es, ganz gleich, welches Wetter herrscht.« Sie flüsterte ihr noch Gute Nacht zu und ging leise zur Tür.
Voller Bewunderung fragte Annabelle sich, wann ihre Mutter in Herzensangelegenheiten so weise geworden war. »Danke, dass du mir zugehört hast, Mom.«
»Gern geschehen. Versuch, ein wenig zu schlafen.«
Die Tür schloss sich, und Annabelle begann pflichtbewusst, Schafe zu zählen. Sie schuldete es ihrer Mutter, an einem der glücklichsten Tage in ihrem Leben nicht mit geschwollenen Augen und gebrochenem Herzen wie jemand auszusehen, der gerade sitzen gelassen worden war. Sie schniefte. Nach dem morgigen Tag konnte sie allerdings für nichts mehr garantieren.
KAPITEL SIEBZEHN
Es war ein herrlicher Tag, und Belle war in dem pinkfarbenen Kleid und mit weißen Blumen im Haar eine wunderschöne Braut.
Martin sah in seinem schwarzen Anzug geradezu verwegen aus, und Annabelle erinnerte sich an den Tag, an dem sie dabei zugesehen hatte, wie Clay ein ähnliches Jackett anprobiert hatte. An dem Tag, als er sie vor sicherer Demütigung und möglichem Ruin bewahrt hatte. Der Tag, an dem sie zum ersten Mal angefangen hatte, ihn in einem anderen Licht zu sehen. Rückblickend hatte er sie vermutlich für eine Diebin gehalten und war nur eingeschritten, um den Namen seines Vaters aus dem Vorfall herauszuhalten. Ihr wurde ganz heiß vor Scham, wenn sie daran dachte, wie sie alles, was der Mann getan hatte, völlig missverstanden hatte. Mühsam kehrte sie in die Gegenwart zurück und zwang sich zu einem Lächeln, als der Pfarrer sie alle bat, vorzutreten.
Sie gab ihrer Mutter einen schnellen Kuss und umarmte Martin. Er lächelte sie bedauernd an, was ihr verriet, dass ihre Mutter ihm das Ausmaß ihrer Gefühle für seinen Sohn anvertraut hatte. Der Arme, sein Blick wanderte immer wieder zur Kirchentür, vermutlich in der Hoffnung, dass Clay doch noch auftauchen würde.
Aber es sollte nicht sein.
Da die Hochzeitsgesellschaft nur aus der Braut, dem Bräutigam, dem Pfarrer, dem Organisten, dem Fotografen und Annabelle bestand, verzichteten sie auf den Hochzeitsmarsch, aber Annabelle stiegen dennoch die Tränen in die Augen, als die Musik einsetzte. Ihr Herz floss über vor Liebe zu ihrer Mutter, süßen Erinnerungen an ihren Vater und der Hoffnung, eines Tages auch jemanden zu finden, mit dem sie ihr Leben teilen konnte. Wer hätte gedacht, dass der Besuch in Atlanta ihr solche Dinge offenbaren würde? Als der Pfarrer die Zeremonie begann, ließ sie ihren Tränen freien Lauf.
»Liebe Anwesende, wir haben uns am heutigen Tage hier versammelt, um die Verbindung zwischen Martin Castleberry und Belle Coakley zu bezeugen. Die Ehe ist ein heiliger Bund, den man nicht leichtfertig eingehen sollte, sondern mit Ehrfurcht und Liebe.«
Belle und Martin lächelten einander an und hielten sich an den Händen. Mit einem plötzlichen Aufwallen von Zärtlichkeit entschied Annabelle, dass ihr Vater die Hochzeit gutheißen würde, dass er glücklich wäre, weil Belle nicht mehr alleine war, nicht mehr einsam.
»Wer einen Einwand gegen diese Hochzeit vorzubringen hat, der möge jetzt sprechen oder für immer schweigen.«
»Stoppt die Hochzeit!«
Annabelle drehte sich mit allen
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