Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Stachel der Demütigung sitzt tief. Was habe ich mir nur gedacht? Hanna wird niemals meine Freundin werden. Ich sollte diesen Fakt langsam akzeptieren. Ich atme tief durch, um meine Gefühle neu zu ordnen, und taste mich behutsam an ein anderes Thema heran. »Ich weiß, dass du das wahrscheinlich nicht gerne hörst, aber uns steht eine Konfrontation mit deinem Opa bevor. Was willst du gegen Waldenburg unternehmen?«
Hanna gähnt. »Ich habe da schon eine Idee. Darüber will ich aber erst nach Sonnenaufgang mit dir reden. Gönn mir die paar Stunden Schlaf!«
» Geht klar«, versichere ich ihr. Sie hat sich die Erholung verdient. Morgen ist auch noch ein Tag. Ich sollte mich auch um mein Wohlbefinden kümmern. »Ich würde noch schnell duschen gehen, wenn es dich nicht stört.«
» Viel Spaß! Ich bin viel zu müde dafür, obwohl ich es auch nötig hätte.«
Ich schwinge mich aus dem Bett und streife das Jackett ab. Es gleitet samt Pistole auf den Boden neben den Kleiderschrank.
» Ach ja«, sagt Hanna noch. Sie wickelt ihren Körper in ihre Steppdecke ein. »Wenn du nachher ins Bett kommst, bleiben deine Hände über der Decke, Freundchen!«
Ich pruste belustigt los. »Du hättest keine Chance bei mir, Mädchen.«
» Warum hast du mir dann vorhin im Auto ständig ins Dekolleté geglotzt? Hatte ich etwa einen Fleck auf dem Kleid?«
Ich fühle mich ertappt und verkneife mir die ironische Erwiderung, die mir auf der Zunge liegt.
Sie schüttelt belustigt den Kopf, reibt mir meine aufflackernde Geilheit aber nicht weiter unter die Nase.
Ich gehe ins Bad und lasse Hanna schlafen. Sie hat den Besuch des Sandmanns bitter nötig. Ich habe mir für meinen Teil die Dusche verdient. Ich ziehe mich komplett aus und steige in die schmale Kabine aus Plexiglas. Leichte Schimmelspuren verunreinigen die Silikonfugen. Auch die können mich nicht davon abhalten, den verkalkten Brausekopf mit heißem Wasser zu durchfluten. Das warme Nass plätschert wohltuend auf meinen Körper. Augenblicklich vergesse ich alle Sorgen. Ich weiß, dass alles gut werden wird. Oder ist das wieder nur ein frommer Wunsch?
Der nächste Morgen startete für mich überraschend früh. Ich wachte gegen sieben Uhr putzmunter auf und fühlte mich wie neugeboren. Die Nacht neben Hannas schnarchenden Leib hat neue Lebensgeister in mir geweckt. Ihre Laute waren beruhigend. Auch wenn ich ihre Körperwärme nicht spüren konnte, da ich wie befohlen über der Decke schlief, war es dennoch schön, ausnahmsweise neben einem anderen Menschen aufzuwachen. Balsam für meine Seele. Selbst meine Schulter gab kein Murren von sich, obwohl ich seit zwölf Stunden keine Schmerzmittel mehr genommen hatte. Vielleicht muss ich doch keine Tablettensucht befürchten. Ich warf prüfend einen Blick zu Hanna hinüber und stellte fest, dass sie noch selig schlief. Wahrscheinlich tut sie es noch immer. Die letzte Nacht hat ihr gewaltig zugesetzt.
Ich beschloss ohne langes Nachdenken, mich aus den Federn zu rollen und Frühstück für mich und die müde Kriegerin zu besorgen. Nachdem ich mich im Badezimmer frisch gemacht hatte, zog ich mir die alten Klamotten von gestern über, die dezent nach Schweiß und Blut stanken, und begab mich auf leisen Sohlen an die frische Luft. Die Bungalowtür schloss ich von außen wieder zu. Ich begrüßte den neuen Tag mit einem halblauten Rülpser, der sich in meinem Magen versteckt hatte, und schlenderte zu dem geborgten Ford hinüber.
Ich ließ den Wagen an und steuerte ihn zurück über die Stadtgrenzen Berlins. Beim nächstbesten Bäcker machte ich Halt und kaufte zwei Becher Kaffee (für Hanna mit viel Sahne und Zucker), zwei Pfannkuchen mit Marmeladenfüllung und zwei Streuselschnecken ein. Bepackt mit den süßen Leckereien begab ich mich auf dem Rückweg. Ich freue mich schon darauf, Hannas Lächeln zu sehen, wenn sie das frische Backwerk und den Kaffee bei meiner Rückkehr riecht. Bald ist es soweit, denn mein Auto befindet sich schon wieder auf der Einfahrt zum Parkplatz des Hotels. Wir dürfen uns noch bis zehn Uhr dort aufhalten. Die Zeit ist großzügig bemessen. Bis dahin sind wir locker mit dem Frühstück fertig und können uns danach über unser weiteres Vorgehen unterhalten.
Ich parke gedankenverloren vor unserem Zimmer und schicke den Motor in den Wartestand. Ich nehme den Becherhalter mit den Heißgetränken in die rechte Hand und klemme die Papiertüte mit dem Gebäck unter den Arm. Mit links knalle ich die Autotür zu.
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