Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
ans Gefängnis heran. Und meine Freiheit ist mir wichtiger als meine vergängliche Gesundheit. Lieber behalte ich irgendeinen irreparablen Schaden zurück, weil ich meinen Körper zu schnell wieder belastet habe, als ein Leben lang hinter Gitter zu verbringen. Ich bin nicht für einen Käfig geeignet, in dem ich vor mich hinvegetiere. Ich muss fliegen können. Im Knast würde ich glatt durchdrehen und in der Zelle pausenlos meine Runden drehen wie ein eingesperrter Tiger im Zoo. Die nächsten Stunden werden schmerzhaft, aber da muss ich verdammt noch mal durch. Ich sehe keine Alternative.
In jedem meiner Arme steckt eine Infusion snadel, die ich vorsichtig herausziehe. Meine Venen pochen dumpf; ich spüre ihr Verlangen nach den schmerzbetäubenden Heilmittelchen. Ich muss sie mit einem kalten Entzug konfrontieren. Blut strömt aus den Einstichlöchern. Der dünne Fluss wird aber schnell versiegen. Ich reiße mir weitere medizinische Instrumente vom Körper. Zum Beispiel die dünnen Schläuche, die permanent Sauerstoff in meine Nase leiten oder den Sensor, der meinen Herzschlag misst. Der Überwachungsmonitor hinter mir protestiert dagegen mit einem langanhaltenden Piepen. Ich erschrecke vor dem Ton und habe Angst, dass eine Schwester den Alarm mitbekommen könnte. Ich schwinge mich aufrecht auf meine Pritsche und stemme mich nach oben. Meine Wirbelsäule knackt wie aufplatzendes Popcorn.
Ich untersuche den Herzmonitor im Dämmerlicht des Mondes und entdecke einen verdächtigen roten Knopf daran. Nachdem ich ihn betätigt habe, schweigt der Apparat. Gott sei Dank! Ich weiß nicht, ob das Abschalten des Geräts ebenfalls einen Krankenhausangestellten auf den Plan ruft, aber nun ist es im Zimmer wenigstens still.
Erst jetzt begreife ich, dass der von mir ausgelöste Alarm auch etwas Positives hatte. Durch die Angst, erwischt zu werden, habe ich mich aus dem Bett gewuchtet, ohne auf irgendwelche Schmerzen Rücksicht zu nehmen. Ich habe mir nicht unnötig den Kopf darüber zerbrochen, ob ich überhaupt aufstehen könnte. Stattdessen habe ich es einfach getan. Und es hat funktioniert. Ich stehe wacklig auf den Beinen und würde keinem Windhauch standhalten, aber ich stehe. Augen zu und durch! Wer steht, kann auch laufen, weglaufen. Ich muss mich damit beeilen, bevor ich es mir doch noch anders überlege. Mein Rücken sendet schon stechende Signale an mein Nervenzentrum.
Ich benötige zivile Klamotten für meine Flucht. Momentan trage ich nur ein Krankenhaus flügelhemd in Weiß. Es ist untenherum nicht verschlossen und lässt den kühlen Luftzug der Klimaanlage zu meinem Intimbereich durchdringen. Gänsehaut bildet sich auf meinen Eiern. Mit diesem gewagten Outfit werde ich kaum die erste Straße überqueren können, ohne sofort jemandem aufzufallen. Ich schlurfe hastig zu dem Schrank, der neben meinem Bett steht. Er ist so groß wie ich und durch zwei Klapptüren verschlossen. Ich schaue hinein und werde ernüchtert. Das Möbelstück ist leer.
Ich hätte es mir denken können. Mein halbtoter Körper wurde zu einer Notoperation hierher gebracht. Die Ärzte hatten keine Zeit, mich fachmännisch zu entkleiden. Sie werden mir die Sachen einfach vom Körper geschnitten haben. Und selbst wenn sie mich fein säuberlich ausgezogen hätten: Was wäre von meinem guten Anzug übrig geblieben? Nicht mehr, als ein paar blutige Lumpen. Ich ohrfeige mich gedanklich für meine Dummheit.
Da fällt mein Blick auf meinen Zimmergenossen. Ich mustere die Person im Ganzen und komme zu der Erkenntnis, dass wir in etwa die gleiche Größe haben müssen. Demnach kann die Mumie keine Frau sein. Es sei denn, sie ist ungewöhnlich hoch gewachsen. Ich schüttele den Kopf. Der Mensch, der von Kopf bis Fuß umwickelt wurde, ist ein Mann. Er hatte bestimmt einen schlimmen Unfall; vielleicht Brandverletzungen am ganzen Körper davongetragen. Sein Zustand ist weitaus kritischer als meiner. Immerhin kann ich mich schon wieder bewegen, wenn auch nur unter großen Schmerzen, die noch schlimmer werden dürften, wenn die Wirkung der Schmerzmittel nachlässt. Ich bedaure trotzdem das Häufchen Elend einen Augenblick und schleiche mich zu seiner Garderobe. Er möge mir den Eingriff in seine Privatsphäre verzeihen.
Ein Lächeln zaubert sich auf mein Gesicht, als ich sehe, dass sein Schrank nicht leer ist. Auf Kleiderbügeln hängen Pullover, Jeanshosen und Jacken fein säuberlich aufgereiht. Sogar Unterwäsche liegt in einem separaten Schubfach für mich
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