Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Titel: Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Kaczmarzyk
Vom Netzwerk:
Sohlen bis zum Ende des Ganges, bis mich die automatische Tür herzlich begrüßt. Sie surrt auf und lässt mich gewähren. Leider habe ich noch nicht das Treppenhaus erreicht, aber ein weißes Männchen auf grünem Grund weist mich in gerader Richtung zum Ausgang. Die rettende Tür winkt mich schon heran. Allerdings muss ich erst ein weiteres Hindernis überspringen, um sie zu erreichen.
    Ungefähr fünf Meter vor der Tür wurde eine Bucht in den Gang geschlagen. Dort könnte eine Nachtschwester hocken, die über die Intensivstation regiert. Sie sitzt nur da, löst Kreuzworträtsel und überwacht die Monitore der hilflosen Patienten, oder ignoriert die Alarmsignale wie in meinem Fall. Wie kann ich unbeachtet an ihr vorbeischleichen? Soll ich einfach wie ein Besucher pfeifend an ihr vorbeigehen, als wäre mit mir alles in Ordnung? Hätte sie vielleicht die Nase in ein spannendes Buch gesteckt und würde mich gar nicht bemerken? Aber was wäre, sollte sie doch aufschauen und meinen verkrampften Gang registrieren? Ich könnte nicht einmal vor ihr davonlaufen. Auf eine Rangelei wollte ich es auch nicht unbedingt ankommen lassen. Erstens hat sie den Tod gewiss nicht verdient, nur weil sie ihrer Pflicht nachgeht, und zweitens könnte ich den Kampf in meinem Zustand sogar verlieren.
    Es ist deprimierend. Ich traue mir nicht mal zu, eine Krankenschwester im Nahkampf zu besiegen. Wie soll ich dann Hanna erledigen? Ich ringe um Selbstdisziplin. Über dieses Problem kann ich später philosophieren. Vorerst zählt nur der Ausbruch.
    Ich lehne meinen Rücken an die rechte Wand des Flures und schiebe mich langsam vorwärts. Ich spüre die Einschüsse, sobald ich die Wand hinter mir auch nur leicht touchiere. Am liebsten würde ich laut fluchen. Ich hebe mir die nicht jugendfreien Worte für einen anderen Tag auf.
    Der Wachposten ist nun ganz nah. Ich höre ein dezentes Summen aus einem Radio. Irgendein Kerl trällert mit weinerlicher Stimme auf Englisch davon, eine Granate für eine Frau abzuwehren. Schnulziger Unsinn, der mir bleiern aufstößt. Die aktuelle Musikentwicklung, die verstärkt den amerikanischen Markt anhimmelt, ist mir sowieso ein Rätsel. Für mich ist dieses R’n’B-Gejaule ein Graus. Die Musik klingt wie Zähne ziehen. Aber das ist ein anderes Thema.
    Ich schließe meine Augen und zähle bis drei. Mein Kopf zuckt um die Ecke und macht sich ein Bild vom Wachposten. Ein Blick und ich verschwinde wieder hinter der Wand. Was ich da gesehen habe, stimmt mich ganz und gar nicht fröhlich. Ich hatte nur teilweise mit meiner Vermutung recht.
    Da sitzt tatsächlich jemand herum und liest ein Buch. Nur schmökert da keine Frau in ihrem Liebesroman. Da hockt ein stattlicher Kerl und verschlingt ‚Die Arena‘ von Stephen King. Meine Fluchtchancen sinken von fünfzig Prozent auf maximal zehn. Der Junge ist über eins neunzig groß, kräftig gebaut und könnte mir selbst bei guter Kondition gefährlich werden. Ich habe sicherlich die größere Kampferfahrung auf meiner Seite, aber auch ich kann bei einem gezielten Hieb zu Boden gehen. Mein Kinn wurde nicht aus Titan gemeißelt. Mit nur einem Arm wäre ich beinahe hilflos gegen den Hünen. Was soll ich also tun? Mir schießt ein Geistesblitz durch den Kopf. Ich muss dreckig kämpfen. Ein faires Kräftemessen ist mir nicht möglich. Ich werde vor seinem Schreibtisch auf die Knie fallen und den sterbenden Schwan mimen. Sollte er sich zu mir herunterbücken, werde ich ihm die Handkante gegen den Kehlkopf schlagen. Die darauffolgende Atemlosigkeit des Mannes könnte ich zur Flucht nutzen. Der Plan treibt mir nicht gerade Stolz in die Glieder, aber mehr ist in meiner Situation nicht drin. Gemein und schmutzig wie eine Kanalratte muss ich agieren. Doch ich tue diesen Nagetieren Unrecht. Wahrscheinlich haben sie mehr Selbstachtung als ich. Ich seufze lautlos über meinen tiefen Fall.
    Ein schriller Alarm verhindert die Ausführung meines Plans schlagartig. Ein rigoroses Tuten dringt vom Arbeitsplatz des Pflegers um die Ecke an mein Ohr.
    » Nicht schon wieder!«, stöhnt er. »Noch ein Fehlalarm?«
    Ich denke über seine Worte nach. Noch ein Fehlalarm? Er bezieht sich damit auf mich. Meine Apparate haben kurz rebelliert, nachdem ich sie abgelegt hatte. Allerdings habe ich den Alarm schnell unterbunden. Das kann kein Zufall sein. Ich beglückwünschte mich zu meinem schnellen Handeln, welches die Kavallerie aus meinem Zimmer fern hielt. Der Alarm dröhnt derweil weiter durch den

Weitere Kostenlose Bücher