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Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Titel: Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Kaczmarzyk
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bereit. Ich reibe mir die Hände.
    Umständlich entledige ich mich meines Krankenhauseinteilers. Dabei spüre ich jede noch so kleine Bewegung überdeutlich. Jeder beanspruchte Muskel heult verärgert auf. Es ist ein Ziehen, ein Stechen und ein Brennen zugleich. Ich ärgere mich nicht mit einem Muskelkater herum, sondern mit einem Muskellöwen, sollte es so etwas geben. Die bandagierten Einschusswunden machen mir besonders schwer zu schaffen. Den rechten Arm kann ich nur wenige Zentimeter anheben, sofort streikt mein Körper rigoros. Ich winde mich trotzdem irgendwie aus meinem Nachthemd und werfe es auf mein Bett. Anschließend klaue ich die Klamotten der Mumie aus dessen Schrank. Ich werfe mich in Socken, Unterhose und Pullover. Zuletzt ziehe ich mir eine blaue Jeans über. Spätestens jetzt weiß ich, dass ich mich ein bisschen verschätzt habe, was die Größe der schwerverletzten Person angeht. Er ist in etwa so groß wie ich, aber eben nicht ganz. Seine Beine sind definitiv fünf Zentimeter kürzer als meine. Es sei denn, er läuft gerne in Hochwasserhosen herum. Auch sein dunkelbrauner Pullover spannt an meinen breiten Schultern. Ich muss damit leben. Die Klamotten sind geborgt und nicht maßgeschneidert. Ich hätte mir das Zimmer genauso gut mit einem Liliputaner teilen können und dann hätte ich gar nichts Passendes zum Anziehen.
    Zu meinem vollständigen Glück fehlen mir nur noch ein Paar Schuhe. Ich bücke mich hinunter zu einem kleinen Fach am Boden des Schrankes und öffne es. Tatsächlich liegen zwei braune Wildlederschuhe darin. Sie sind albern mit Kordeln verziert und treffen nicht ansatzweise meinen Geschmack, aber ich sehe über den Makel hinweg. Ich bete zu wem auch immer, dass mir die Treter halbwegs passen mögen. Ich halte die Sohle eines Schuhs prüfend an meine Ferse und muss schlucken. Sie sind mindestens eine Größe zu klein. In den Dingern werde ich mir garantiert Blasen laufen, aber alles Gejammer nützt nichts. Ich habe die Wahl zwischen blutenden Hacken oder blutenden Sohlen. Ohne Schuhe würde mir ein Fehltritt in eine Glasscherbe eventuell eine böse Infektion bescheren. Und das in meinem ohnehin angeschlagenen Zustand. Das darf ich nicht riskieren.
    Ich beiße die Zähne zusammen und zwinge mich in die engen Schuhe. Meine Zehen quetschen sich in der Schuhspitze zu einem Ganzen zusammen. Es kneift und zwickt an jeder Stelle des Fußes. Ich laufe probeweise ein paar Schritte mit den Schuhen und fühle mich wie in einer Zwangsjacke. Zumindest an den Füßen.
    Reiß dich zusammen, du Memme , befielt mir meine innere Stimme der Vernunft. Sie hat recht. Ich bin ein Mann und kein Mädchen. Es gibt keinen Schmerz, den ich nicht ausblenden könnte. Die Schuhe müssen mich nur aus dem Krankenhaus bringen, nicht um die halbe Welt. Freiheit oder Knast? Schmerz oder Bettruhe? So verlockend das Bett mich auch anlächelt, ich muss mich dennoch für die schmerzvolle Freiheit entscheiden. Sie ist die einzig richtige Wahl.
    Ich balle di e Fäuste, um meinen eisernen Willen zu demonstrieren. Der Gedanke an meine Freiheit treibt mich an. Aber es kreist nicht nur das Wort ‚Freiheit‘ in meinem Kopf herum. Die Hoffnung auf Freiheit vermischt sich auch mit Rache. Rache an Hanna Cramme und ihrer widerspenstigen Brut. Wenn ich an ihre kalten Augen und ihre gespielte Todesangst denke, packt mich die blanke Wut. Ich könnte spontan gegen die Wand boxen, wenn ich nicht schon genug Verletzungen zu verarbeiten hätte. Einen Mittelhandbruch kann ich mir nicht auch noch leisten. Ich verbanne die Wut aus meinen Gedanken und schwöre meinen Körper auf den ‚Ausbruch‘ ein. Schnell und leise wie ein Schatten muss ich mich bewegen. Unter normalen Umständen hätte ich daran auch nicht gezweifelt, aber mit zwei Einschusslöchern im Körper wird die leichteste Übung plötzlich unausführbar.
    Ich öffne die Tür meines Zimmers und stecke den Kopf auf den Gang hinaus. Alles ist still. Die Flure sind leer. Es ist Nacht. Auf der Station befindet sich nur eine Notbesetzung. Diese verbringt die meiste Zeit in ihren Aufenthaltsräumen, um nur im Ernstfall einzugreifen. Tagsüber ist das Krankenhaus eine pulsierende Metropole, doch nachts wird dieser Ort zu einer überschaubaren Kleinstadt.
    Ich trete vorsichtig aus dem Zimmer heraus und wende mich nach links. Eine größere Tür am Ende des Ganges lässt mich zu der Annahme kommen, dass sich dort das Treppenhaus in die Freiheit befindet.
    Ich wandle auf schmerzenden

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