Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
konnte mich mit ihrem kleinen Trick nicht ausschalten. Die Schlacht wurde verloren, aber der Krieg noch lange nicht. Mein Auftrag bleibt aktiv. Noch habe ich ein paar Tage Zeit, um die hunderttausend Scheine für meine Altersvorsorge einzustreichen. Inzwischen geht es mir dabei weniger ums Geld, sondern vielmehr um die Berufsehre. Wenn es sich in Fachkreisen herumsprechen würde, dass mich ein kleines Mädchen besiegt hat, läge meine Karriere am Boden. Ich habe zwar ein paar Reserven unter dem Kopfkissen versteckt, aber ich müsste ohne Zusatzeinnahmen meinen Lebensstil stark zurückschrauben. Und wie sollte ich dann meine ausschweifenden Orgien, die Weltreisen und meinen fünfzigjährigen Single Malt finanzieren? Ich will mir meinen Lebensstil nicht von einem anderen Menschen vorschreiben lassen, schon gar nicht von Hanna Cramme. Dafür bin ich schon viel zu lange mein eigener Herr. Sie darf nicht über meinen Lebensstil bestimmen. Ich bin es, der die Fäden in den Händen hält und über Leben oder Tod entscheidet. Ich mache die Vorschriften und sonst niemand! Hanna wird sich noch wünschen, im Wald abgedrückt zu haben. Ich meine, keine weitere Kugel in meinen Rücken, sondern eine in ihren eigenen Schädel. Ich werde ihr Leben zur Hölle machen, sie an ihren Schwachstellen treffen. Die Ansatzpunkte dafür kenne ich bereits. Ich kann sie am effektivsten über ihre Familie verletzen und besonders über ihre kleine Schwester. Sie werden alle für Hannas Taten büßen.
Doch momentan fehlt mir die Kraft für solche Rachepläne. Schon das Denken strengt mich an. Es macht mich körperlich müde. Ich muss mich erst von dem großen Blutverlust erholen. Die Wunden müssen heilen, alles muss wieder zusammenwachsen. Ich brauche Ruhe, bevor der Sturm über Hanna Cramme hereinbrechen kann. Ich darf nicht lange im Krankenhaus bleiben.
Meine vorzeitige Flucht ist beschlossene Sache. Bald werden mir Männer in Uniform auf die Schliche kommen. Sicherlich haben sie schon meine Desert Eagle am Tatort entdeckt und vielleicht sogar meinen Mobby mit Peter Cramme als Kronzeugen im Kofferraum. Generell wirft eine Schießerei in Deutschland immer Fragen auf. Es ist nicht so, dass so etwas stets und ständig passieren würde. Nicht in einem Land mit so strikten Waffengesetzen. Meine außergewöhnlichen Wunden werden die Geier anlocken, soviel steht fest. Wenn ich dann immer noch schlapp im Bett liege, stecke ich tief in der Scheiße.
Ich schließe die Augen und gönne mir die beste Medizin, die es auf der Welt gibt. Schlaf! In ein paar Stunden sieht die Welt vielleicht schon besser aus. Ich kann es nur hoffen.
Es ist tief schwarze Nacht als ich wieder aufwache und mucksmäuschenstill, abgesehen von den gedämpften mechanischen Tönen der Apparate, die meinen Körper mit dem Lebensnotwendigsten versorgen. Wie lange habe ich geschlafen? Einen Tag? Zwei? Eine ganze Woche? Mein Zeitgefühl hat mich im Stich gelassen. Ich könnte ein Jahr verpennt haben und würde es nicht merken. Aber ganz so fatal kann es nicht sein, da sich um mich herum nicht allzu viel verändert hat.
Ich liege immer noch im Krankenhaus, aber in einem anderen Zimmer. Mein Zustand hat sich offenbar stabilisiert, denn ich befinde mich nicht mehr auf der Intensivstation, sondern in einem normalen Krankenzimmer , ein beschauliches Zweibettzimmer. Ein gutes Zeichen. Ich bin außer Lebensgefahr. Um mir die Umgewöhnung zu erleichtern, haben die Pfleger sogar die verschnürte Mumie wieder neben mich gelegt. Sie gibt keinen Ton von sich, liegt vielleicht im Koma, scheint aber auch aus dem Gröbsten raus zu sein. Wahrscheinlich gelten wir dennoch beide als Härtefälle, die viel Ruhe brauchen und sich gegenseitig nicht belästigen werden. Eine verkrüppelte Zweckgemeinschaft gewissermaßen.
I ch habe ungewöhnlich lange geschlafen, aber nicht mehrere Tage, sonst hätte ich inzwischen einen anderen Bettnachbarn. Ich schätze die Dauer meines Nickerchens auf zwölf bis sechzehn Stunden, vielleicht etwas länger.
Ich taste mit sensiblen Fühlern in meinen Körper hinein und prüfe, ob er sich in der Zeit ein wenig erholen konnte. Die Antwort ist ein gequältes ‚Nein‘. Was habe ich auch anderes erwartet? Man kann tödliche Verletzungen nicht innerhalb von ein bis zwei Tagen auskurieren. Ich muss trotzdem mit dem bisherigen Heilungsprozess klarkommen und notfalls kriechend aus dem Krankenhaus verschwinden. Jede zusätzliche Stunde hier drinnen bringt meinen Arsch näher
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