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Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Titel: Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Kaczmarzyk
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vierzehn Tage Zeit dafür gegeben hatte. Von dieser Frist dürften nur noch vier bis fünf Tage übrig sein. Ich gehe vom schlimmsten Fall aus, den vier Tagen. Wenig Zeit, um einen einzelnen Menschen in Deutschland aufzutreiben. Einen Menschen, der gerissen ist und mächtige Verbündete aus dem Ärmel schütteln kann. Es ist schwierig, aber nicht unmöglich. Das habe ich in meinem Beruf gelernt: Nichts ist wirklich unmöglich.
    Ich hatte vor einigen Jahren einen Fall, bei dem ich einen Yuri Petrov in Moskau zum Schweigen bringen sollte. Der Name ist nicht gerade selten in der Region, und Moskau ist eine riesengroße Stadt. Dagegen ist Berlin ein Witz. Die russische Metropole hat gut viermal so viele Einwohner. Außer dem Namen hatte ich nur ein verpixeltes Foto von dem Kerl erhalten. Ich habe den Mann trotzdem am ersten Tag meines Aufenthalts in Moskau aufgespürt und exekutiert. Er hatte sich bei seiner Mutter verkrochen, die ich ebenfalls unschädlich machte, als Bonus gewissermaßen. Warum soll mir ein ähnliches Kunststück nicht auch bei Hanna und ihrer Sippe gelingen? Ich habe zudem einen gewaltigen Vorteil auf meiner Seite: Sie weiß wahrscheinlich nicht, dass ich nicht tot bin.
     
    Ich bin zurück in Berlin. Die Hauptstadt nimmt mich wie gewohnt mit offenen Armen auf. Ihr ist es egal, ob ich Halbinvalide oder Leistungssportler bin. Sie lässt mich gewähren, drückt mir einen nasskalten Kuss auf die Wange, ob ich will oder nicht. Ich fühle mich in der großen Mutter sehr geborgen; irgendwann werde ich meinen Lebensabend in dieser Stadt verbringen. In welchen Stadtteil ich ziehen werde, kann mir im Augenblick am Arsch vorbeigehen. Berlin bleibt Berlin.
    Für den Weg bis in die Hauptstadt musste ich einen Leihwagen beanspruchen . Solange Mobby vom Erdboden verschluckt bleibt, muss ich notgedrungen fremdgehen. Jeder Kilometer auf der Straße in dem fremden Auto schmerzte in meinem Herz. Ich betrog meinen Freund; belastete mein Gewissen mit Schuldgefühlen. Der geborgte Ford Mondeo konnte zwar nichts dafür, aber das Fahrgefühl war irritierend. Der Mietwagen fuhr sich eigentlich viel ruhiger als Mobby. Die Gänge flutschten problemlos rein und kratzten nicht am Getriebe. Eine Menge technischer Schnickschnack erleichterte mir die Tücken im Straßenverkehr, wie etwa die seitliche Einparkhilfe oder der Tempomat, und doch vermisste ich meinen alten Kumpel. Ohne Mobby macht Autofahren keinen Spaß. Ich weiß nicht, ob ich diese Geborgenheit jemals in einem anderen Wagen wiederentdecken kann. Ich werde die Augen nach ihm offen halten. Noch muss er kein kleiner Metallwürfel sein.
    Ebenso musste ich meine Waffe ersetzen. Die Desert Eagle, die nun in der Innentasche meines Jacketts steckt, ist ein paar Jahre älter als mein importiertes Baby und weist leichte Schrammen aus früheren Einsätzen auf. Sie ist grau und liegt nicht so gut in der Hand wie mein teures Sammlerstück. Tödlich ist sie trotzdem. Die Pistole hat es schon mehrfach unter Beweis gestellt.
    Alles in allem hat sich also nicht viel geändert. Ich habe ein Auto, eine Kanone und noch alle vier Gliedmaßen am Leib. So scheint es auf den ersten Blick. Doch für mich ist es ein gewaltiger Unterschied. Zu dem Wagen habe ich keinen Bezug, die Waffe ist nicht so präzise wie die andere; mein rechter Arm ist nur zu fünfzig Prozent belastbar. Außerdem schmerzen mir Rücken und Hacken, und ich sehe aus wie ein Wrack. Passend zu meinem Gesundheitsbild habe ich mich heute Morgen nicht rasiert. Die rituelle Prozedur einer Nassrasur schreckte mich ab; es erschien mir zu mühselig für meinen geschundenen Leib. Es würde mich nicht wundern, wenn mich manche Passanten für einen starken Alkoholiker halten. Das Leben kann grausam sein und schrecklich ungerecht.
    Von meinem Vorhaben soll mich das dennoch nicht ab bringen. Ich befinde mich in Berlin-Mitte und steige die letzten Stufen zum Eingang einer Bibliothek hinauf. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich Hannas Fährte wieder aufnehmen kann und bin bei der oftmals entnervenden Recherchearbeit gelandet. Ich will das Zeitungsarchiv der Berliner Bibliothek durchstöbern und herausfinden, ob die Familie Cramme schon einmal im Stadtbild auffiel, positiv wie negativ. Ich könnte so einen Hinweis zu Hannas toter Mutter entdecken oder den Sportverein finden, in dem Hanna den Umgang mit dem Kendo-Stick gelernt hat. Genauso gut könnte in den Archiven auch gar nichts Interessantes über die Familie auftauchen.

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