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Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Titel: Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Kaczmarzyk
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mir jedes Detail gut ein. Rechterhand schließt sich eine flache Kapelle an die rote Ziegelmauer an. Die Tür steht offen. Ich möchte nicht hineingehen. Gotteshäuser lösen bei mir seit Jahren eine Gänsehaut aus. Ich studiere lieber die Grabsteine, die sich rechts und links von mir aufreihen. Meine Füße schlendern leichtfüßig über die verblichenen Überreste hunderter Menschen. Manche Gräber sind neu und spiegeln meine Beine auf ihrer Oberfläche, andere sind alt und verwittert. Ich sehe Grabsteine von 2010 und welche aus den 1980er-Jahren. Hier liegen viele Generationen begraben, Schicht für Schicht. Ich spüre, dass der Friedhof schon viele hundert Jahre alt sein muss und seine ganz eigene Geschichte erzählen kann.
    Durch meinen Kopf schwirren Fragmente wie Leid, Verfolgung, Mord und Unterdrückung. Die Leichen stöhnen die Worte aus ihren Gräbern herauf. Grauen packt mich. Der Friedhof ist ein unheimlicher Ort, auch bei helllichtem Tage. Zum Glück bin ich erwachsen und glaube nicht mehr an Gespenster.
    Ich laufe weiter über kleinere Trampelpfade zur linken Seite des Friedhofs und halte an einem Grab kurz inne. Es handelt sich dabei um ein junges Grab, in zweierlei Hinsicht. Es stammt von 2009 und beherbergt ein zwölfjähriges Mädchen. ‚Jana Albrecht – 07.11.1997 bis 20.12.2009‘ steht in weißen Buchstaben auf dem dunklen Granit. ‚Du warst ein Engel, der zu früh in den Himmel gerufen wurde.‘ Ich nehme die Worte in mich auf, fühle den Schmerz ihrer Familie kurz vor dem Weihnachtsfest. Jana wurde nur zwölf Jahre alt. Zwölf Jahre! Vor meinen Augen kollidiert ein Lkw mit einem Mädchen auf dem Fahrrad. Sie betätigt verzweifelt ihre Bremsen, doch sie funktionieren nicht. Blut und Eingeweide besprenkeln den grauen Asphalt. Ein junges Leben endet. Ich werde um ein paar tausend Euro reicher.
    Gibt es Himmel und Hölle? Wenn ja, dann lande ich definitiv im Fegefeuer. Das ist mir spätestens jetzt klar. Sollte ich mich irren und sollte sich im Himmel doch ein bärtiger alter Mann um uns kümmern, könnte ich einpacken. Ich muss mein Leben ändern. Radikal. Mir verbleiben vielleicht noch zwanzig produktive Jahre auf diesem Planeten. Ich muss die Zeit dazu nutzen, um Gutes zu tun. Für Jana Albrecht und alle anderen Menschen, die meinetwegen zu früh aus dem Leben gerissen wurden.
    Ich blinzele. Der frische Wind am Morgen treibt mir Tränen in die Augen. Mein Blick wendet sich von Jana Albrecht ab. Ich gehe weiter. Tote Namen ziehen an mir vorbei. Ich bestaune hübsche Blumengestecke und welke Rosen. Manche Menschen werden über den Tod hinaus geliebt; andere werden nach und nach vergessen. Augenblicklich bleibe ich erneut stehen. Ich habe mein Ziel erreicht. Ich lese: ‚Pia Waldenburg 15.01.1967 – 05.05.2003‘. Darunter steht noch: ‚Wir vermissen dich.‘ Der Grabstein ist hell wie Marmor, die eingravierten Buchstaben schwarz und schnörkellos. Vor dem Grabstein befindet sich dunkler Mutterboden, der mit einem Rechen akkurat auf eine Ebene gezirkelt wurde. Er wird von flachen Schiefersteinen umrandet. Auf der Erde stecken zwei grüne Plastikgefäße, die mit frischen roten Tulpen bestückt wurden. Das Grab wird folglich regelmäßig besucht und gepflegt. Neben dem Grabstein wachsen noch zwei struppige Sträucher, die ich keiner mir bekannten Pflanzengattung zuordnen kann. Mutmaßlich waren das Pias Lieblingspflanzen. Es soll mir auch egal sein.
    Ich verharre andächtig vor den Resten eines Lebens. In Gedanken bitt e ich sie um Entschuldigung. Über diesen Unsinn muss ich beinahe laut loslachen. Es ist grotesk, jemanden um Entschuldigung zu bitten, den man selbst umgebracht hat. Wie soll mir Pia meine Tat je vergeben können? Was sollte sie zu mir sagen? ‚Nichts für ungut, altes Haus. War nicht deine Schuld. Ich hoffe, du hast mein Kopfgeld nicht einfach nur versoffen.‘
    Ich schüttle den Kopf. Das ist bloßes Wunschdenken. Ich bin am Tod von Pia Waldenburg so schuldig, wie Adolf Hitler am Zweiten Weltkrieg. Mein Gewissen möchte beruhigt werden, aber es muss sich vorerst weiter in Agonie herumwälzen. Ich kann es nicht einmal ein kleines Bisschen beschwichtigen. Keine Gnade für den alten Mann. Zu allem Überfluss werde ich dem reumütigen Gefühl bald neue Nahrung geben müssen. Ich muss Pia Waldenburg noch einmal wehtun, auch wenn sie höchstens noch aus bleichen Knochen besteht. Doch nicht jetzt.
    Mittler weile versammeln sich schon einige Angehörige vor den letzten Ruhestätten

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