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Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)

Titel: Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Kaczmarzyk
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Hotelzimmer in den frühen Morgenstunden verlassen und direkt ausgecheckt. Ich will keinen weiteren Tag in diesem spartanischen Loch zubringen. Ich weiß auch nicht, ob ich generell länger in Berlin bleiben muss. Notfalls suche ich mir heute Abend eine komfortablere Unterkunft für eine weitere Übernachtung. Seit sieben Uhr parke ich mit meinem geliehenen Ford am Friedhofsgelände und harre der Dinge, die da kommen mögen. Der Tag ist schmuddelig, kühl, nass und grau. Das Wetter mag ungemütlich sein; dennoch hat es seine Vorteile. Die schlechte Sicht kommt meiner Tarnung entgegen; die Natur kann sich von den zuletzt trockenen Tagen ein wenig erholen. Selbst überzeugte Sonnenanbeter sollten den Regen akzeptieren können. Das Tief wird sowieso nicht von Dauer sein. Für morgen ist schon wieder heiteres Wetter bei über zwanzig Grad Celsius prognostiziert. Die globale Erwärmung kündigt sich allmählich an. So warm war der Herbst in diesen Breiten selten. Das soll aber nicht mehr meine Sorge sein.
    In den paar Jahren, in denen ich noch die Erde bewohne, sollte sie sich nicht in einen glühenden Feuerball verwandeln. Damit d ürfen sich die nächsten und übernächsten Generationen herumärgern. Vielleicht können sie noch rechtzeitig die Reißleine ziehen. Andererseits erhält die Menschheit für ihren Egoismus und ihre Gier die finale Quittung, die ihr zusteht. Das Schicksal der Menschheit wird in den nächsten Jahrzehnten entschieden. Noch schwingt das Pendel. Der Ausgang ist ungewiss. Ich bin nicht Nostradamus und möchte besser keine Tendenz abgeben.
    Ich richte meine Aufmerksamkeit stattdessen auf den gusseisernen Friedhofseingang. Es ist inzwischen kurz nach zehn Uhr. Vor etwa einer Stunde  hatte die Polizei den Ort des Verbrechens aufgesucht. Ein panischer Gärtner hatte sie nach innen zum Tatort gelotst. Wenige Minuten später spazierten die beiden Beamten wieder mit ernster Miene aus der Anlage, zurück zu ihrem Dienstwagen, und machten sich Notizen auf einem Schreibblock.
    Der Gärtner war außer sich vor Entrüstung und wedelte wild mit den Armen in der Luft herum.
    Für die Beamten hatte die Angelegenheit nichts Außergewöhnliches an sich. In ihren Augen war das sinnloser Vandalismus von ein paar pubertierenden Teenagern. Immerhin habe ich extra zwei Gräber verwüstet, um den Verdacht dahingehend zu lenken. Hätte ich nur Pias Ruhestätte verunstaltet, hätten die Beamten vielleicht einen Zusammenhang zu der ehemaligen Familientragödie knüpfen können. Doch nun wird in der Akte etwas Ähnliches stehen wie: ‚ Zweifache Grabschändung auf dem Friedhof ‚Böhmischer Gottesacker‘, beliebige Opfer, Sachschaden, Einbruch, keine Zeugen, wirkt wie Jugendsünde.‘
    Ich kenne mich mit polizeilichen Erfassungsbögen nicht aus, aber ich meine, dass die Berichte in der Art aufgenommen werden. Der Fall wird schon bald in den riesigen Aktenbergen der zuständigen Polizeibehörde verstauben. Die Polizisten werden Anwohner nach verdächtigen Gestalten befragen, die sich zur Tatzeit am Friedhof herumgetrieben haben, und einen Zeugenaufruf starten, mehr nicht. Nach ein paar Monaten ohne Spuren wird man den Fall nicht mal mehr mit der Kneifzange anrühren. Die Straftat ist zu klein und zu gewöhnlich, um deswegen eine pompöse Hexenjagd zu veranstalten.
    Die Beamten zogen vor einer halben Stunde ab; ich blieb da. Ich warte auf die Angehörigen der betroffenen Grabstätten, die hoffentlich über den Zwischenfall informiert wurden. Ich gieße mir zum Zeitvertreib einen Kaffee in einen Pappbecher. Die Thermoskanne voller Koffein habe ich mir an einer Tankstelle auffüllen lassen. Ich bin unglaublich müde, darf den entscheidenden Moment aber nicht versäumen. Regen tropft unablässig auf die Frontscheibe und rinnt an ihr herunter. Das sanfte Pochen des Himmels wirkt auf mich wie ein Schlaflied. Ich trinke einen großen Schluck des schwarzen Gebräus und reibe mir die Augen. Ich muss durchhalten. Nur wie lange noch?
    Die Antwort lautet: Keine fünf Minuten. Ich habe gerade das Tal der Müdigkeit durchschritten, als ein dunkelblauer Toyota Avensis zu dem Friedhofsgelände einbiegt. Ich brauche das Nummernschild des Wagens nicht zu entziffern, um zu wissen, dass sie es sind. Sie sind es!
    Meine kleine Nachtaktion hatte ihren Zweck erfüllt. Ich grinse wie das sprichwörtliche Honigkuchenpferd.
    Der Wagen hält an. Aus der Fahrerseite steigt Hanna aus, hinter ihr zwingt sich ihre kleine Schwester aus der Rückbank.

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