Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
ließ sich aufs Bett fallen.
»Müssen Ihre Hose etwas runterziehen, die Kratzer gehen tiefer.«
»Ich soll was? Nein, das geht auch so!«
»Wollen Sie gesund werden oder nicht? Ich schon Hinterteil von Mann gesehen. Sie vergessen, dass ich früher verheiratet war. Sie brauchen die Hose nicht ganz ausziehen, nur ein kleines Stück runterschieben. Brauchen Sie Hilfe?«
»Nein, nein, ich schaff’s schon selbst.« Baltasar merkte, dass er rot wurde, und drückte den Kopf ins Kissen. Er löste den Gürtel und zog die Hose nach unten. Teresa trug geschickt die Salbe auf. Ihre Hände waren warm und weich, als sie seine Haut berührten. Das Einmassieren tat ihm gut, er vergaß den Dobermann, vergaß den Schmerz, konzentrierte sich ganz auf die Berührung der Haut. Entspannte sich. Genoss es. Wie gut, dass er auf dem Bauch lag.
Am nächsten Morgen fühlte sich Baltasar wie neugeboren. Voller Tatendrang stürmte er aus dem Bett. Der Arm tat nur noch weh, wenn er ihn allzu abrupt bewegte. Er ging in die Kirche, um sein Versprechen einzulösen und eine Kerze für Maria zu stiften. Für seine wundersame Rettung vor der Bestie. Aus seinem privaten Vorrat nahm er eine besonders schöne Kerze, steckte sie auf den Ständer vor der Marienstatue und zündete sie an. Nach dem Dankgebet blieb er sitzen und dachte an die Marienstatuen bei der Quelle und bei den Schindlers. Sie waren mit einem Rosenkranz geschmückt.
Ebenso wie die Figur hier. Die Gebetskette, die Sebastian bei den Totenbrettern gefunden hatte, war ein Geschenk für sein Gotteshaus und die Maria gewesen. Er betrachtete die Figur in der Nische der Wand. Sie stand auf einem Sims, etwa drei Meter über dem Boden, eine Holzschnitzerei, das Gewand in Blau und Rot, mit Gold gefasst. Gütig und anmutig erstrahlte ihr Antlitz.
Baltasar holte eine Leiter und stieg zu der Statue hinauf. Aus der Nähe betrachtet, zeigten sich Haarrisse an der Oberfläche. Staub hatte sich abgelagert. Ein Arm wies Reibestellen auf, die Farbe war teilweise abgeblättert. Hier musste der Rosenkranz herumgewickelt gewesen sein, dachte Baltasar.
Er holte Sebastians Rosenkranz aus dem Versteck und legte ihn um den Arm der Statue. Von unten betrachtet, wirkte es, als wolle Maria beten. Die Edelsteine schimmerten im Licht und verliehen der Figur eine besondere Würde.
»Sind Sie ein Marienkind?«
Baltasar zuckte zusammen. Hinter ihm stand Walburga Bichlmeier mit ihrem unvermeidlichen schwarzen Kopftuch.
Vermutlich hatte sie ihn schon länger beobachtet.
»Guten Morgen, was soll ich sein, ein Marienkind?«
»Von den Marienkindern, meine ich.« Ihr Kopf wackelte hin und her. Sie hatte sich auf ihren Stock gestützt.
»Wir sind alle Gottes Kinder, ob ich speziell ein Kind der Mutter Gottes bin, weiß ich nicht.«
»Die heilige Maria sieht alles, hört alles. Ich sag es Ihnen. Maria wacht über uns. Sie kann tief in unsere Herzen schauen. Ich bete regelmäßig zu ihr. Jeden Tag.«
»Deshalb kommen Sie auch zu solch ungewöhnlichen Zeiten in die Kirche, oder?«
»Wegen der da oben bin ich da. Ich flehe sie an, mir meine Sünden zu vergeben. Ich habe viel gesündigt.«
»Gehen Sie zur Beichte. Gott vergibt allen Menschen, die ihre Sünden bereuen.«
»Meine Sünden kann nur die Jungfrau verstehen. Sie wird mich davon erlösen.« Die Alte wies mit ihrem Stock auf die Statue. »Was ist das für ein Rosenkranz?«
»Ach so, das ist Ihnen natürlich aufgefallen. Den habe ich nur probehalber zur Dekoration aufgehängt. Ist ein schönes Stück. Ich zeig’s Ihnen.« Er holte die Gebetskette herunter und legte sie auf die Besucherbank. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Reaktion der alten Frau. Sie sank in die Knie, berührte den Rosenkranz und machte das Kreuzzeichen.
»Er ist zurück, bei der Mutter Gottes und allen Heiligen, der Rosenkranz der Marienkinder, auferstanden von den Toten, gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel, sitzen zur Rechten Gottes, da ist er wieder, der Rosenkranz. Des is a Zeichen, der Himmel hat uns a Zeichen g’schickt. Mein Gott, oh mein Gott, vergib mir meine Sünden.«
Walburga Bichlmeier wiegte sich hin und her, ein Beben erfasste ihren Körper, ging in ein Zucken über. Baltasar überlegte, ob er einen Arzt rufen sollte.
»Geht’s Ihnen gut, Frau Bichlmeier?«
Als Antwort drang ein Schluchzen aus ihrem Mund. Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Des is a Zeichen, Gott sei mir gnädig, ich habe gesündigt. Der
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