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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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offen gestanden, nicht mehr an sie erinnern. Warum ist Ihnen das alles so wichtig, Hochwürden, dieses Stochern in der Vergangenheit? Hat das etwas mit dieser unbekannten Frau zu tun?«
    »Die Polizei versucht, die Identität des Mädchens festzustellen, das ist deren Job. Ist doch verrückt, dass niemand sich an sie erinnern kann.«
    »Mein Gott, draußen laufen viele junge Frauen herum. Welche Fremde bleibt einem nach so langer Zeit noch im Gedächtnis? Erinnern Sie sich an all Ihre Kirchenbesucher von früher? Ich glaube kaum. Warum also sollte es bei der Toten anders sein?«
    »Sie war vermutlich allein. Das könnte doch jemandem aufgefallen sein, eine Minderjährige, allein unterwegs.«
    »Ich sage das nur ungern, Herr Pfarrer, aber es könnte auch so eine Schlampe aus Tschechien gewesen sein, die nur auf Männer aus war. So ein junges aufreizendes Ding, das an den Falschen geraten ist.«
    Baltasar stellte die Tasse ab. »Ich weiß nicht, das klingt mir zu sehr nach Spekulation. Und die meisten Mädchen sind ganz anders als Sie denken, Frau Schindler.«
    »Wenn ich eine Tochter hätte, ginge sie jedenfalls nie ohne Begleitung auf Reisen, das würde ich nicht erlauben. Dennoch, Hochwürden, ich verstehe nicht, was diese alten Geschichten sollen. Was soll da schon rauskommen? Das interessiert doch keinen.«
    »Mich schon.«
    Ein Auto fuhr in den Hof. Christina Schindler sah zum Fenster hinaus. »Mein Mann, er ist zurück.«
    Kurze Zeit später ging die Tür auf. Hubert Schindler erstarrte, als er Baltasar sah. »Tag, Christina, Tag, Mutter. Herr Senner, was machen Sie hier?«
    »Wir haben uns nur unterhalten.« Baltasar fühlte sich unwohl, er spürte die Aggression hinter den Worten des Mannes. »Über das unbekannte Mädchen und die Vorbesitzer des Grundstücks.«
    »Was stellen Sie solche Fragen, Hochwürden, was sollen wir Ihnen dazu erzählen?«
    »Ich will einfach mehr über die Vergangenheit der Menschen wissen. Dazu baue ich auf Ihre Unterstützung.«
    »Das ist doch lächerlich. Überlassen Sie das der Polizei. Kümmern Sie sich um andere Dinge.«
    »Ich kann nicht erkennen, was daran so schlimm sein soll, sich um das Schicksal von Menschen Gedanken zu machen.«
    »Sie kommen einfach her und dringen in mein Haus ein. Fragen meine Frau und meine Mutter aus. Verhören sie quasi. Entschuldigen Sie, wenn ich das sage, Herr Pfarrer, aber das gehört sich nicht. Was wollen Sie von uns? Lassen Sie meine Familie einfach in Ruhe!«
    »Warum regen Sie sich so auf, Herr Schindler? Ich bin die falsche Zielscheibe für Ihren Ärger, ich habe kein Verbrechen begangen, sondern jemand anders.«
    »Alle reden nur von Verbrechen, Sie, die Polizei, die Leute. Wer sagt denn, dass es wirklich stimmt? Waren Sie dabei, als es passiert ist? Sicher nicht. Die Dätschenköpf quatschen nur dumm herum, diese Klugscheißer, diese elendigen!«
    Lydia Schindler fasste ihren Sohn am Arm. »Reg dich net auf, Hubert. Was soll der Herr Pfarrer von uns denken?«
    »Ich will mich aber aufregen!« Der Mann spuckte die Worte aus. »Es ist mir scheißegal, was die andern von mir denken! Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, schon gar nicht einem Pfarrer.«
    »Spinnst jetzt, Hubert? Hast was getrunken? Komm, setz di nieda!« Seine Frau versuchte, ihn auf den Stuhl zu ziehen. »Du beleidigst unseren Gast, das tust du!«
    »Halt’s Maul! Ich kann in meinem Haus tun, was mir passt.« Hubert Schindler riss sich von seiner Frau los. »Und beleidigt hat uns dieser Herr.« Er deutete auf Baltasar. »Schon rotzfrech, was sich dieser Herr erlaubt, unverschämt! Am besten Sie verschwinden jetzt, bevor ich mich vergesse! Ein bisschen plötzlich!« Er ballte die Faust.
    »Gehen Sie bitte, in diesem Zustand kann ich für nichts garantieren«, sagte Christina Schindler.
    Baltasar zweifelte nicht daran, dass gleich eine Explosion bevorstand. Er verabschiedete sich und ging aus dem Haus, ohne sich umzudrehen.
    »Und wagen Sie nicht, hier nochmal aufzutauchen. Sonst setzt’s was, ob Sie Pfarrer sind oder nicht!«, rief ihm Hubert Schindler hinterher.
    Baltasar war wie betäubt. Er blieb kurz stehen und atmete durch. Warum dieser Wutausbruch? Waren es die Fragen zu dem toten Mädchen, die Hubert Schindler so in Rage versetzt hatten, oder die zu den Vorbesitzern des Hofes? Baltasar ging Richtung Tor. Plötzlich hörte er ein Scharren. Ein Hecheln. Er sah sich um. Die Schindlers waren nirgends zu sehen, vermutlich kamen die Geräusche vom Stall. Er machte

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