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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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überwacht würde,
bis sie das Gelände verlassen hätte. Doreen erwidert den drei Direktoren, sie
würden einen großen Fehler machen, der Verbraucheranwalt würde lügen, weil er
sie nicht ausstehen könne und dass sie sie alle verklagen würde.
    Sie fährt
davon, und obwohl sie vierzehn Jahre an der Klinik war, hört man dort nie
wieder etwas von ihr. Die Verwaltung verfolgt die Angelegenheit aus
naheliegenden Gründen nicht weiter, um einen Skandal und Regressansprüche zu
vermeiden, und es gibt einen kollektiven Stoßseufzer der Erleichterung, als sie
einfach verschwindet. In privaten Gesprächen über sie spekulieren die Leiterin
des Pflegedienstes und Jackie Rubenstein, dass Doreen wahrscheinlich in einem
anderen Bundesstaat weiterhin als Psychologin praktizieren würde.
    Die
meisten Leute an der Klinik verfügen über große Mengen an Gewissen, und so
stellt sich die Frage, wieso man Doreen ohne eine Auseinandersetzung laufen
lässt, nur damit sie womöglich andernorts ihr Unwesen treiben kann. Und warum
war sie überhaupt, gerade in einer psychiatrischen Klinik, so schwierig zu
erkennen? Allgemein gefragt: Wie kann ein jeder von uns - wie wir es allesamt
tun - mit einer erheblichen Zahl von destruktiven Lügnern und Hochstaplern
zusammenleben, ohne sie zur Rede zu stellen oder auch nur als solche zu
erkennen? Wie wir in Kürze sehen werden, gibt es Antworten auf diese
entscheidenden Fragen und auch Mittel und Wege, unsere Reaktionen auf das
schlüpfrige Phänomen der Soziopathie allmählich zu ändern.
     
    F Ü N F
     
    warum das gewissen
Scheuklappen trägt
     
    Es ist
leicht - schrecklich leicht -, den Glauben eines Menschen an sich selbst zu
erschüttern. Das auszunutzen, um die Seele eines Menschen zu zerstören, ist
Teufelswerk.
    — George
Bernard Shaw
     
    Hätte
Doreen Littlefield geglaubt, sie könnte damit ungeschoren davonkommen, dann
hätte sie Jackie Rubenstein mit ihrem BMW überfahren, anstatt nur ihre Arbeit
zu sabotieren. Und, noch erstaunlicher, hätte sie Jackie oder einen anderen
Menschen verwundet oder getötet, Doreen hätte keine Schuldgefühle oder Reue
verspürt, geschweige denn das Entsetzen, das die meisten Menschen empfinden
würden, hätten sie das Leben eines Menschen beendet. Ihr Blutdruck wäre um
keinen Deut gestiegen, zumindest nicht infolge eines schlechten Gefühls wegen
des Opfers. Doreen hat keinen Sinn für solche Dinge, keinen siebten Sinn für
menschliche Verbundenheit, der ihr ein elendes Gefühl wegen der Folgen ihrer
Handlungen bereiten könnte. Den meisten von uns hätte das Töten eines Menschen
einen Schock verursacht, gefolgt von Qualen, die das Leben verändern würden,
auch wenn wir den betreffenden Menschen nicht hätten leiden können. Doreen
hätte einen solchen Akt - vorausgesetzt, dass sie nicht gefasst worden wäre -
als einen Sieg empfunden. Für Menschen mit einem Gewissen ist dieser
Unterschied zwischen normalen Gefühlsreaktionen und Soziopathie so absurd, dass
er fast unbegreiflich ist, und so weigern wir uns für gewöhnlich, eine solche
Gefühlsarmut für möglich zu halten. Und leider kann uns die Weigerung, die
Bedeutung dieses Unterschiedes zu beachten, gefährlich werden.
    Auch ohne
jemanden mit ihrem Auto - oder ihren eigenen beiden Händen - zu ermorden,
richtet Doreen unsägliche Schäden für die Menschen in ihrem Umfeld an. De facto
ist es ihr wichtigstes Ziel, die Leben anderer Menschen zu beeinträchtigen. Da
sie sich die Autorität einer Psychotherapeutin für stationäre Patienten
zunutze macht, könnte sie eines Tages als Nebeneffekt ihrer Rachefeldzüge einen
Patienten in den Selbstmord treiben, sofern sie das nicht schon getan hat. Und
doch ist eine große Gruppe anständiger Menschen - das gesamte Personal einer
psychiatrischen Klinik, das alles Menschenmögliche tun würde, um den
Selbstmord eines Patienten zu verhindern - blind für ihre Scharade. Und als
sie ihren Betrug entdecken, versuchen sie nicht etwa, sie aufzuhalten - sie
sehen einfach zu, wie sie davonfährt.
    Warum sind
gewissenhafte Menschen so blind? Und warum zögern sie, sich zu wehren und die
Ideale und die Menschen, die ihnen wichtig sind, zu verteidigen, gegen die
Minderzahl menschlicher Individuen, die keine Spur eines Gewissens haben? Die
Antwort hängt zum großen Teil mit den Gefühlen und Gedanken zusammen, die sich
einstellen, wenn wir mit Soziopathie konfrontiert werden. Wir haben Angst, und
unser Realitätssinn leidet. Wir glauben, dass wir uns Dinge

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